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Die vollkommene Lady

Die vollkommene Lady

Titel: Die vollkommene Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margery Sharp
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Feldblumensträuße teilte, hatte sie soeben ein schönes holländisches
Blumenstilleben aus frühen Dahlien und rotem Jasmin vollendet.
    Sie hätte einen Blumenladen mit
Geschick und Geschmack leiten können, und sie wußte es. Manchmal spielte sie,
im Überfluß ihrer Energie, mit dem Gedanken, einen kleinen Laden als eine Art
Erholung von ihren wichtigeren Tätigkeiten nebenher zu betreiben. Sie fühlte
sich fähig, eine beliebte Anzahl Berufe gleichzeitig auszufüllen — einen für
Bryan, einen für sich selbst und als passende Abrundung die Konditorei ihrer
Mutter —, falls der Plan ihrer Großmutter wirklich jemals feste Formen annehmen
sollte. Im Augenblick hatte sie nichts Richtiges, womit sie ihren Tag wirklich
nützlich und sinnvoll verbringen konnte — nur die französische Literatur und
einen Liebhaber —, und sie hatte demzufolge ein leichtes Gefühl von
Unbefriedigtsein. Mit um so größerer Freude hörte sie, wie Julia vorausgesagt
hatte, die Vorschläge ihres Vormundes an.
    „Aber natürlich, Onkel William!“ rief
sie begeistert. „Ich habe ja schon in der Schule in Arbeitersiedlungen
gearbeitet. Ich werde gern helfen, wenn du meinst, daß ich von Nutzen sein
kann!“
    „Ich bin überzeugt, daß du von größtem
Nutzen sein kannst“, erwiderte Sir William aufrichtig. Das gesamte
menschenfreundliche Komitee hatte nicht annähernd die Tatkraft, die Susan besaß
— — allerdings hatte auch keines der Mitglieder Susans Jugend. Zwei
hilfsbereite alte Herzoginwitwen, ein Parlamentsmitglied, ein Sekretär ohne
Gehalt und — ach ja, und der wildäugige, etwas ungepflegt aussehende junge
Mann, der die treibende Kraft darstellte. Tatkraft hatte der schon — aber er
hatte von Takt noch nichts gehört. Wenn der und Susan zusammen arbeiteten — Sir
William fand die Kombination sehr gut...
    „Noch eins“, sagte er, „ich muß dich
darauf vorbereiten, daß wahrscheinlich außer deinem noch ein anderer Vorschlag
für die Klubgestaltung vorgelegt werden wird. Von einem gewissen Bellamy. Er
wird, wenn ich ihn recht kenne, deinen Vorschlag so lange sondieren und
sezieren, bis er in Fetzen zerfällt. Das tut er immer.“
    Susan riß die Augen auf. „Bellamy! Etwa
der Bellamy, der , Ethik und Elend“ geschrieben hat?“
    „Klingt sehr wahrscheinlich“, erwiderte
Sir William mit sträflicher Gleichgültigkeit. „Ich weiß, daß er irgendwas
geschrieben hat. Komm mit auf mein Zimmer, dann kannst du dir gleich das ganze
Zeug mitnehmen.“
    Eine halbe Stunde später saß Susan im
Billardzimmer, umgeben von einem Grundriß des neuen Klubs, der gesamten
Fachliteratur, die Sir William von Zeit zu Zeit und ohne Vergnügen hatte
erwerben müssen, und endlosen Flugschriften, Klubnachrichten und einer
Anleitung „Wie ziehe ich einen Klub auf?“ Sie war restlos glücklich. Nur Bryan
fehlte noch. Sobald er von seinem Pförtnerhäuschen herüberkam, sollte er an
ihrer Freude teilhaben.

18
     
    E ine neue, höchst ungewöhnliche Stimmung
hatte von dem Haus Besitz genommen. Als Julia damals angekommen war, fiel ihr
als erstes die faule, friedliche Atmosphäre auf; das war jetzt gründlich anders
geworden. Susan war ständig auf den Beinen und sah genau wie eine Klubsekretärin
oder wie ein Mitglied eines Komitees aus. Man sah sie nie anders als mit einer
Flugschrift in der Hand oder einem Bündel loser Zettel unter dem Arm. Und sie
ließ es keineswegs mit dem Herumtragen sein Bewenden haben. Sir William hatte
unter seinen vielen Papieren auch den Lageplan des zukünftigen Klubs gefunden.
Susan pauste ihn in dreifacher Ausfertigung nach (um drei verschiedene
Vorschläge für die Gestaltung der Kleiderablage und des Waschraums darstellen
zu können) und steckte sie mit Reißnägeln an die Wand des Billardzimmers.
Jedesmal, wenn Julia am Abend von ihren Bridgekarten aufsah, leuchtete ein „W.
C.“ in roter Tinte vor ihren Augen. Und schlimmer noch, die geschäftige
Aktivität ihres Enkelkindes hatte Mrs. Packetts Tatendrang neu geweckt, und sie
telegrafierte einem Makler um Angebote für leere Geschäftsräume in und um
Kensington. Der Tatendrang schien sich über die Entfernung auch dem Makler
mitgeteilt zu haben, denn er antwortete, ebenfalls und des längeren,
telegrafisch unter Nennung so horrender Zahlen, daß die alte Dame und alle
anderen Hausbewohner ganz entsetzt waren.
    „Was hast du in deinem Telegramm bloß
verlangt?“ wollten alle wissen. Aber Mrs. Packett wollte nichts sagen.
    Unverzagt trat sie

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