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Die vollkommene Lady

Die vollkommene Lady

Titel: Die vollkommene Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margery Sharp
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die Annahme, daß Julia sich ganz einfach in ihn verliebt hatte,
ihm zu unwahrscheinlich vorkam — hatte er sich diese Gründe aufgezählt. Aber
bisher war in der Aufzählung sein Aussehen noch nie vorgekommen...
    „Ich habe mich doch geirrt“, sagte er
möglichst leichthin. „Du bist doch eine Schmeichlerin.“
    „Nicht im geringsten“, erwiderte Julia
ernsthaft. „Ich sagte nicht, daß du der bestaussehende Mann bist, den ich je
gesehen habe — wie der arme Valentino siehst du zum Beispiel nicht aus —, aber
du bist bestimmt der am vornehmsten aussehende. Das macht dein Profil, weißt
du, deine Größe und deine Haltung. Ich fand es gleich vom ersten Augenblick an.“
    „Da mußt du mich allerdings schon sehr
lieben“, sagte Sir William.
    Als sie später zum Haus hinunterstiegen
— die Frage der Bekanntgabe ihrer Verlobung war schweigend erledigt — fing er
plötzlich zu lachen an. Julia fragte ihn, worüber er lache, aber er wollte es
nicht sagen. Sie hatte ihm so deutlich zu verstehen gegeben, daß er nicht mehr
jung sei, und er hatte sich gerade bei dem Gedanken ertappt, daß er wünschte,
er könnte sich ihr beim Essen anstatt im Smoking im Frack zeigen.
     
    *
     
    Man sagt, ein Unglück komme selten
allein. Aber Julia machte die Erfahrung, daß ein Glück nicht allein kommt. Als
wäre Sir William und alles, was er ihr bedeutete, nicht schon genug, durfte sie
an demselben Abend noch den ersten richtigen Beweis von Susans liebevollem
Vertrauen entgegennehmen. Susan kam in ihr Zimmer, während sie sich zum Essen
umzog, und setzte sich— ganz wie eine richtige Tochter — auf den Rand ihres
Bettes.
    „Onkel William hat mir gerade gesagt“,
fing Susan an, „daß es deine Idee war — das mit dem Klub, meine ich. Wie kamst
du darauf?“
    Julia lächelte selbstzufrieden. „Ich
wußte, daß so etwas gerade das Geeignete für dich sein würde, Susan. Das heißt
— ich meine, ich wußte, daß du die Geeignete für die Idee sein würdest. Du bist
so tüchtig und sicher in allem, was du willst und dir vornimmst.“
    Abgesehen davon, daß das zum größten
Teil stimmte, war dies offenbar die Antwort, die Susan am liebsten hatte hören
wollen. Sie sah ihre Mutter mit ehrlicher Begeisterung und sogar Wärme an. „Du
weißt nicht, wie ich mich freue, daß du das sagst. Die anderen, Bryan und auch
Onkel William, glauben, scheint es, daß es nur eine Art Zeitvertreib oder
Spielzeug für mich ist. Sie bedenken gar nicht, daß ich tatsächlich von Nutzen
sein kann. Du hast mich verstanden.“ Heute ist mein Glückstag, dachte Julia und
beschloß, sich weiter vorzuwagen.
    „Dieser Mister Bellamy, Susan — wenn
ich wieder in London bin, würde ich ihn gern kennenlernen. Ob ich einfach zum
Klub hinunterfahren kann, was meinst du?“
    „Aber natürlich!“ rief Susan ganz
strahlend bei der Aussicht, endlich jemand zum Bekehren gefunden zu haben. „Natürlich
geht das! Ich werde den Leuten schreiben und dich anmelden. Bloß — glaubst du
nicht, daß dich das langweilen wird?“
    Julia war überzeugt, daß sie sehr
interessiert sein würde. Sie mußte den Mann erst noch treffen, für den sie
überhaupt kein Interesse aufbringen konnte. Schwieriger und wichtiger war
dagegen, Susans Interesse zu wecken — Susans Interesse für diesen Mr. Bellamy,
und zwar nicht nur als einen fleißigen Arbeitsmenschen, sondern als einen
jungen Mann.
    „Hoffentlich macht et sich nicht ganz
kaputt“, sagte Julia mit besorgter Miene.
    „Wer? Mister Bellamy?“
    „Sir William erzählte mir, er sei nicht
sehr kräftig“, erklärte Julia. „Er sagte, er sei schrecklich mager.
Wahrscheinlich ißt er niemals richtige Mahlzeiten.“
    Susan sah nachdenklich aus. „Ja,
hoffentlich wird er nicht krank, denn er ist tatsächlich der einzige dort, der
etwas tut. Er ist wirklich wichtig. Sag’ mal, Mutter...“
    Julias Herz machte einen Freudensprung.
Sie mußte sich geradezu Gewalt antun, um Susan nicht auf der Stelle um den Hals
zu fallen und sie zu küssen, so dankbar war sie. Aber sie riß sich zusammen.
Sie wußte, Susan würde das schöne Wort nie wieder gebrauchen, wenn sie durch
irgend etwas von neuem eingeschüchtert würde.
    „Ja, was ist, Susan?“
    „Ich habe mir gerade überlegt — wenn
ich ihn in London treffe, wird er mich einladen wollen, und ich weiß, daß es
ihm sehr schlecht geht. Aber wenn du uns beide in deine Wohnung einladen
könntest — oder ich könnte ihn selbst dorthin

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