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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Cyprian.
    Podlaschitz war der letzte Ort auf Erden, an dem er sein wollte. Hier hatte er seinen Vater in einem zerfallenden Klosterbau verschwinden sehen mit dem beschwingten Schritt eines Mannes, der sich anschickt, etwas Wertvolles zu stehlen. Hier hatte er gesehen, wie eine Gruppe Wehrloser unter Axthieben fiel, unter denen aller Wahrscheinlichkeit nach auch seine Mutter war. Er hatte beide nie mehr wiedergesehen, nicht im Leben, nicht im Tod. Andrej hatte in all den Jahren viele Abschiede nehmen müssen – von Gönnern wie Giovanni Scoto, der ihn einfach hatte sitzen lassen und sogar noch Andrejs billige Kleidung mitgenommen hatte, bis zur Liebe seines Lebens, die ein kleiner schwarzer Mönch auf dem Gewissen hatte, dem er am Ende nicht einmal hatte böse sein können. Man hätte annehmen können, er sei geübt darin. Und doch war es dieser eine Abschied, den er nie hatte wirklich nehmen können, der eines sechsjährigen Knaben von seinen Eltern, der immer noch eine offene Wunde in seinem Herzen war.
    Andrej trieb sein Pferd den Abhang hinunter. Podlaschitz war ein Geisterdorf. Irgendwann würden neue Bewohner kommen – oder einige der alten zurückkehren, wenn die Erinnerung an das Grauen, das diesen Ort bevölkert hatte, verblasst war. Es war hart, so von dem Mann zu denken, der ihm in seiner bizarren Art bis zuletzt die Treue gehalten hatte, aber der Tod König Rudolfs hatte mehr Gutes als Schlechtes gehabt. In den vergangenen Jahren waren viele seiner durch und durch korrupten Beamten und Grafen ersetzt worden, vermutlich weniger durch Kaiser Matthias’ als vielmehr durchKardinal Khlesls und Reichskanzler Lobkowicz’ Energie. Der neue Verwalter für diese Gegend hier hatte aus dem von der Welt abgeriegelten Aussätzigendorf Podlaschitz wieder eine bewohnbare Gegend gemacht, indem er die letzten Überlebenden der Leprakolonie in Hospitäler hatte schaffen und die Reste des alten Klosters, in dem sie vornehmlich gehaust hatten, hatte abbrennen lassen. Seine Bemühungen hatten, was eine Wiederbesiedelung betraf, jedoch noch keinen Erfolg gezeitigt. Andrej war nicht sicher, ob sie es je tun würden. Der Mann hatte nicht gewusst, dass es hier viel Schlimmeres zu vergessen gab als nur ein paar Dutzend lebende Tote.
    Das Klostergelände war eine Albtraumlandschaft aus zerborstenen Mauern, über die hinweg eine ungestörte Natur wucherte. Selbst an den vier Wänden und den Turmstümpfen der Kirche krochen Kletterpflanzen empor und überschütteten die Ruine mit weißen, gelben und blauen Blütenschauern. Andrej stieg nicht ab. Er hatte das Pferd dort angehalten, wo früher die Klosterpforte gewesen war. Für einen Augenblick, der ihn im Sattel hatte wanken lassen, hatte er plötzlich die Kälte eines unzeitigen Graupelschauers verspürt und einen kleinen Jungen gesehen, der aus dem Kloster floh. Er hatte den Kopf geschüttelt, und das Trugbild war zerstoben, aber es hatte ihn mit Tränen in den Augen zurückgelassen. Er dachte an seinen Sohn, den jungen Mann, der weder mit ihm noch mit der Frau, die er damals zu Grabe getragen hatte, auch nur die geringste Ähnlichkeit hatte, und fühlte eine wilde Dankbarkeit dafür, dass es für Wenzel noch keines der grässlichen Adieus gegeben hatte, die Andrejs Älterwerden bestimmt hatten.
    Podlaschitz lag nicht unbedingt auf dem Weg von Brünn nach Braunau, aber er hatte den Umweg in Kauf genommen. Schlimmstenfalls würden Cyprian und Kardinal Melchior einen Tag lang in Adersbach auf ihn warten müssen, von wo aus sie gemeinsam die letzte Strecke nach Braunau zurücklegen wollten. Er hatte sich vergewissern müssen, dass Podlaschitz Vergangenheit war.
    Podlaschitz war Vergangenheit. Das Böse war weitergezogen, schon vor Jahrzehnten. Alles, was Andrej spürte, war der warme Frühlingswind, alles, was er hörte, der Gesang von Insekten und Vögeln, die in den Resten des Klosters nisteten. Das Leben würde irgendwann hierher zurückkehren.
    Andrej wendete das Pferd und trabte davon, zu gleichen Teilen erleichtert über den Abschied von dem Platz, an dem ein eingemauerter Mönch den Teufel beschworen hatte, das Wissen der Welt festzuhalten, und beschwert, weil er wusste, dass ein Teil von ihm immer hierbleiben würde.
    Wäre er nicht so sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, wäre ihm vielleicht der Mann aufgefallen, der ihm schon seit Brünn in weitem Abstand folgte.
    10
    » Na gut «, sagte Melchior Khlesl. »Ist wahrscheinlich das Vernünftigste. Du gestattest, dass

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