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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Holzbrücke, die den Bergfried mit dem Haupthaus verband. Der Bergfried war innen geräumiger als manches Wohnhaus eines einfachen Bürgers in der Stadt. Sie machte sich an einer Tür zu schaffen und schloss sie auf. Der Raum dahinter war leer bis auf ein Bett, verblasste Gobelins an den Wänden und einen Kamin, in dem ein Feuer brannte. Trotz der Kälte, die die Mauern ausstrahlten, war es stickig warm. Eine Gestalt saß in einer der engen Fensternischen und wandte sich zu ihnen um. Heinrich zog die Augenbrauen in die Höhe. Die Gestalt war eine schlanke, hübsche, junge Frau,die ein Kleid trug, das vor vierhundert Jahren in Mode gewesen sein musste. Ihr Anblick zusammen mit der altertümlichen Anmutung des Raumes ließ ihn einen Augenblick orientierungslos werden.
    Die junge Frau klatschte in die Hände und lachte. Sie deutete dabei aufgeregt zum Fenster hinaus.
    Die weiße Gestalt an Heinrichs Seite trat zu ihr und beugte sich über sie. »Ja, gewiss«, hörte Heinrich sie sagen. »Dort draußen kommen die Ritter vorbei – Lanzelot, Gawain, Erec … Du musst Geduld haben, dann kommen auch König Artus und Königin Guinevere. Du musst einfach nur Geduld haben.«
    Die junge Frau umarmte Diana und kicherte aufgeregt. Sabber lief ihr über das Kinn. Fassungslos sah Heinrich, wie Diana ihr das Gesicht abwischte. Die junge Frau setzte sich und nahm ihren Beobachtungsposten wieder auf. Dann wandte sie ihm das Gesicht zu und lächelte erneut, und niemand hätte sagen können, dass mit ihr etwas nicht richtig war. Er ließ sich von Diana hinausschieben. Sie schloss die Tür hinter sich zu.
    »Eine Idiotin«, sagte sie. »Es heißt, sie habe im Wald gelebt, bis eine Jagdgesellschaft sie fand und zu den Prämonstratenserinnen in die Nähe von Brünn brachte. Dort hat sie eine Bürgerin von Brünn herausgeholt und als ihr eigenes Kind angenommen.«
    »Sie ist eine Schönheit«, sagte Heinrich.
    »Ihr Hirn ist vollkommen leer. Nur zwei Dinge habe ich darin gefunden: die Geschichten von König Artus – ich weiß nicht, wer sie dort eingepflanzt hat – und die Überzeugung, dass ich ein Engel bin.«
    »Was spielt sie für eine Rolle?«
    »Die Frau, die sich ihre Mutter nennt, hätte sie gern wieder zurück. Das junge Ding – sie heißt Isolde – ist nicht ganz freiwillig hier, auch wenn sie selbst das gar nicht merkt und denkt, der ÝEngelÜ habe sie eingeladen, damit sie die Ritter der Tafelrunde kennenlernen kann.«
    »Es geht also um die Frau, die sie an Kindes statt aufgenommen hat?«
    »Ich bin nicht sicher, ob die alte Kuh mir alles erzählt hat. Mit dem Mädchen habe ich sie weiterhin in der Hand. Aber sobald Melchior Khlesl meine Macht anerkannt hat, brauche ich weder sie noch die Kleine.« Ihr Lächeln war kalt. »Können Sie überzeugend den Tristan für unsere Isolde spielen? Sie wird sich nicht allzu schwer täuschen lassen. Wenn ich sie nicht mehr brauche, gehört sie Ihnen. Kohlenbecken, Zangen, Messer, Sägen – was immer Sie benötigen, werden Sie dann irgendwo hier finden können.«
    »Vielleicht will sie ja in Gegenwart ihres Engels den Weg zum Himmelstor antreten?« Heinrich fand, dass es einen Versuch wert war. Er war überrascht, dass sie sich plötzlich an ihn drückte, ihren Mund auf seinen presste und ihn küsste. Er erwiderte den Kuss keuchend und voller Leidenschaft, packte mit der einen Hand ihr Gesäß und mit der anderen ihre Brust. Sie schob ihn von sich.
    »Wer weiß«, erwiderte sie. Er stierte die verwischte Schminke auf ihrem Mund an; es sah aus, als habe sie Blut getrunken. »Wer weiß, mein schöner Tristan. Aber bis dahin haben Sie noch jede Menge Arbeit zu tun.«
    9
    Andrej lief es kalt über den Rücken. Von seinem Aussichtspunkt auf halber Höhe des flachen Hügels schien es, als sei keinerlei Zeit vergangen, als seien die zwanzig Jahre, seit er zum letzten Mal hier in Podlaschitz gewesen war, und die zwanzig Jahre davor, als er zum ersten Mal hier gewesen war, zu nichts zerronnen. Er war wieder der kleine Junge, der Zeuge wurde, wie zehn Frauen und Kinder von einem Wahnsinnigen ermordet wurden. Gleichzeitig war er der jungeMann, der in ein düsteres Reich eindrang, in dem die Fäulnis von des Teufels Atem auf die Menschen übergegriffen und sie zu wandelnden, aussätzigen Leichnamen gemacht hatte. Beim ersten Mal war er allein von hier geflohen, beim zweiten Mal in Begleitung eines Mannes, der ihm inzwischen näher war, als ein leiblicher Bruder es jemals sein könnte:

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