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Die Wächter von Jerusalem

Die Wächter von Jerusalem

Titel: Die Wächter von Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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unwillkürlich entstand das Bild einer mit Schlangen angefüllten Grube vor seinen Augen. »Ihr könnt es Euch nicht vorstellen. Die ganze Höhle war voller Menschen, nicht ein Platz war mehr frei. Es müssen mindesten dreihundert Männer und Frauen gewesen sein – vorsichtig geschätzt . Wahrscheinlich liegt die tatsächliche Anzahl jedoch eher beim Doppelten. Und diese Menschen waren so begeistert , so außer sich bei jedem einzelnen Wort von Giacomo, als hätten sie alle miteinander vorher berauschende Kräuter zu sich genommen. Sie gerieten förmlich in Ekstase, als Giacomo ihnen erklärte, sie brauchten nun nicht mehr zu warten. Die Werkzeuge seien da, und sie seien die Streitmacht des Herrn, die mit dem Schwert des Glaubens die Feinde Gottes aus dieser Stadt vertreiben würden.«
    »Das hat er gesagt?«
    »Ja, das hat er gesagt. Das waren so ziemlich genau seine Worte. Zuerst dachte ich, dass nicht einer dieser Schafsköpfe den wahren Sinn dieser Worte begriffen hat, dass nicht einem von ihnen klar geworden ist, dass Giacomo einen Krieg plant. Bis ich nicht mehr bleiben konnte. Mir drohte schlecht zu werden , und während ich mich hinausstahl, sah ich einige jüngere Männer, die Dolche in ihren Händen hielten.«
    »Aber …«
    »Sie alle sind förmlich davon besessen, Blut fließen zu lassen . Das der Moslems, der Juden, das Blut von angeblich treulosen Christen oder ihr eigenes – egal, Hauptsache, es fließt. Die sind verrückt! Ich habe keine Ahnung, woher Giacomo genügend ›Schwerter des Glaubens‹ nehmen will, um sie an seine zahlreiche Anhängerschaft zu verteilen. Aber er scheint im Besitz der Waffen zu sein, wenn auch wohl erst seit kurzem. Die Leute haben förmlich geschrien vor Begeisterung. Sie können es kaum noch erwarten, endlich mit den Schwertern in der Hand durch die Stadt zu stürmen.«
    Cosimo schüttelte den Kopf. Seine Eingeweide verkrampften und wanden sich.
    »Ja, mir wurde auch schlecht bei dem Gedanken«, fuhr Anselmo fort, als hätte er Cosimos Gedanken gelesen. »Und wisst Ihr, was das Schlimme daran ist? Ich hatte den Eindruck, dass Giacomo selbst von seinen eigenen Worten überzeugt ist. So wie er spricht, die Worte, die er benutzt – er spielt seinen Anhängern nicht einfach etwas vor, um ein anderes, eigensüchtiges Ziel zu erreichen. Er glaubt selbst daran, dass Gott ihm den Auftrag gab, diese Stadt von der ›Plage der Moslems und Juden‹ zu befreien. Und Ihr ahnt nicht, wie überzeugend er war. Er war so überzeugend, dass sogar ich beinahe …« Anselmo schloss die Augen.
    Cosimo nickte langsam. »Doch, ich ahne es. Von allen Gründen, aus denen je Kriege geführt worden sind, ist wohl der Krieg aus Fanatismus der schlimmste. Angst lässt sich besänftigen , Hunger, Durst, Landnot, ja, selbst Gier kann irgendwann gestillt werden. Aber das Feuer des Fanatismus reißt alles um sich herum mit sich und brennt so lange, bis es keine Nahrung mehr findet und nichts als Asche übrig bleibt.« Cosimo rieb sich die Stirn. Er dachte nur ungern daran, wie Jerusalem dann aussehen und was mit seinen Einwohnern geschehen würde. »Du brauchst dich nicht für einen Augenblick der Schwäche zu schämen. Du bist jetzt hier, anstatt dich Giacomos Kreuzzug anzuschließen. Du hast ihm trotz seiner maßlosen Überzeugungskraft widerstehen können. Und das allein zählt.«
    »Diesmal muss es uns gelingen, Cosimo, diesmal müssen wir diesem verdammten Hurensohn das Handwerk legen. Er darf uns nicht schon wieder entwischen.«
    »Ja, das haben wir auch vor. Morgen werden wir uns gemeinsam diesen Versammlungsort ansehen. Wir müssen dort nach Spuren suchen. Und vielleicht finden wir dann auch endlich Giacomos Versteck. Oder das Versteck, in dem er die Waffen für seinen Kreuzzug sammelt.«
    Anselmo schüttelte den Kopf. »Das wird nicht gehen, Cosimo . Bei Tag können wir nicht an den verborgenen Eingang heran. Er liegt direkt an der Stadtmauer. Dort sind immer viele Menschen unterwegs, und bestimmt lassen Giacomos Anhänger den Eingang nicht unbewacht. Man würde uns sehen und Giacomo warnen. Und dann ist er schon wieder fort und über alle Berge, noch ehe wir uns seinem Schlupfwinkel genähert haben.«
    Cosimo kaute nachdenklich auf seiner Lippe. Anselmo hatte natürlich Recht. Giacomo mochte wahnsinnig sein, aber er war nicht dumm. Bestimmt ließ er den geheimen Eingang zu dem unterirdischen Höhlensystem bewachen. Aber es musste doch einen Weg geben, um ihn und seine Späher zu

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