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Die Wächter von Jerusalem

Die Wächter von Jerusalem

Titel: Die Wächter von Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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zeichnete sich deutlich die Gestalt der schlafenden Frau ab. Wieder begannen Erinnerungen zu erwachen , doch Cosimo schob sie energisch beiseite und setzte sich. Die Vergangenheit lag hinter ihm. Schon lange. Was zählte, war die Gegenwart. »Ich muss hauptsächlich mit Euch sprechen , Rashid.«
    Rashid ließ sich ebenfalls auf ein Kissen nieder, legte die Hände auf die Knie und betrachtete Cosimo forschend.
    »Was gibt es?«
    »Ich war heute Abend bei Özdemir, und der Statthalter wusste einige interessante Neuigkeiten zu berichten. Gute Neuigkeiten. Ihr braucht Euch fortan nicht mehr zu verstecken , Rashid.«
    »Sind Suleimans Truppen etwa schon eingetroffen?«, fragte
    Rashid ungläubig. »So schnell?«
    »Das nicht, aber stattdessen sind Ibrahim und Omar tot.«
    »Tot?«
    »Ja. Einer aus ihren eigenen Reihen hat ihnen die Kehlen durchgeschnitten, während sie schliefen. Das war schon vor zwei Tagen, aber Özdemir wollte erst sichergehen, dass außer den beiden nicht noch weitere Männer in diese Verschwörung verstrickt sind. Das bedeutet für Euch, dass Ihr Euch wieder frei in der Stadt bewegen könnt.«
    Rashid nickte langsam, und Cosimo hatte den Eindruck, dass er sich nicht so über diese Nachricht freute, wie er es sich eigentlich gedacht hatte.
    »Weiß man schon, wer es getan hat?«
    »Ja, der Mörder hat nach seiner Tat nämlich Selbstmord begangen. Freundlicherweise hat er einen Brief hinterlassen, in dem er alles gesteht.« Er zog eine Rolle Pergament aus der Tasche . »Özdemir hat mir den Brief gegeben, mit der Bitte, ihn Euch zu zeigen. Er meint, dass Ihr den Mann kennen müsstet und aus dem, was er geschrieben hat, schlauer werdet als er selbst. Es klingt alles ziemlich verwirrt. Vielleicht war dieser Yussuf ja verrückt.«
    »Yussuf?« Rashid war bleich geworden wie eine frisch gekalkte Wand. »Sagtet Ihr, der Name des … der Name ist Yussuf?«
    »Ja. Kanntet Ihr ihn?«
    Rashid nickte. »Möglich. Mein bester Freund heißt Yussuf «, sagte er leise. Dann schüttelte er den Kopf. »Aber vielleicht ist er es ja gar nicht. Es gibt eine Hand voll Männer in den Reihen der Janitscharen, die diesen Namen tragen. Zeigt mir bitte den Brief.«
    Cosimo gab ihm das Pergament. Rashids Hände zitterten, als er es entrollte. Doch gleich der erste Blick schien seine schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen. Der Yussuf, der Omar, Ibrahim und dann sich selbst getötet hatte, war Rashids Freund. Und plötzlich fragte sich Cosimo, ob er mit seiner Botschaft nicht doch besser bis zum Morgen gewartet hätte. Aber was hätte das am Inhalt geändert? Waren schlechte Nachrichten bei Tageslicht leichter zu ertragen als in der Nacht?
    Schweigend sah er zu, wie Rashid den Brief las. Er sah, wie Rashid sich auf die Lippe biss, wie sich seine Augen mit Tränen füllten, die eine nach der anderen langsam die Wangen hinunterrollten. Schließlich ließ er das Pergament sinken und zog die Augenbrauen zusammen, als hätte er Schmerzen.
    »Wie ist er gestorben?«
    »Er hat sich in sein Schwert gestürzt«, antwortete Cosimo leise. Er wusste, dass es jetzt keine tröstenden Worte gab. »Den Brief fand man unter seinem Kopfkissen. Habt Ihr eine Ahnung, was er mit diesem Brief sagen wollte?«
    Rashid schüttelte den Kopf. »Nein«, antwortete er und strich dabei mit der Hand über das Pergament, als wollte er es streicheln. »Ich kann es Euch leider nicht sagen.«
    Doch Cosimo hatte den Eindruck, dass Rashid viel mehr wusste, als er zugeben wollte. Aber er mochte ihn nicht bedrängen .
    »Um Euren Freund tut es mir aufrichtig Leid, Rashid«, sagte er. »Doch wenigstens sind die beiden Verschwörer tot. Die Gefahr für die Stadt ist – zumindest fürs Erste – gebannt.«
    »Ja«, erwiderte Rashid, »aber um welchen Preis.«
    Sie schwiegen eine Weile.
    »Was werdet Ihr jetzt tun?«, fragte Cosimo schließlich. »Kehrt Ihr in die Kaserne zurück?«
    »Nein«, antwortete Rashid, und seine Stimme klang fest. »Ich bin kein Janitschar mehr, ich gehöre dort nicht mehr hin.« Er fuhr sich durchs Haar, und seine blauen Augen waren dunkel vor Trauer. »Wenn Ihr es mir gestattet, würde ich gern noch eine Weile hier bei Euch bleiben und dann mit Anne irgendwo ein neues Leben anfangen – sofern sie es ebenso will.«
    Er lächelte zärtlich bei Annes Namen. Cosimos Herz zog sich zusammen. Rashid liebte Anne wirklich. Und er wusste offenbar nicht, dass sie nicht für immer hier bleiben würde. Was würde er wohl anfangen, wenn sie nicht mehr

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