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Die Wächter von Jerusalem

Die Wächter von Jerusalem

Titel: Die Wächter von Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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einem Golfplatz treffen? Ebenso gut hätte sie ihn in seinem Hotelzimmer aufsuchen können. Sie wäre sogar bereit gewesen, Mecidea in ihren eigenen vier Wänden zu empfangen. Selbst wenn er einen neutralen Ort bevorzugte, so gab es in Hamburg doch genügend ruhige Restaurants und Cafés, in denen man sich bei einer Tasse Kaffee ungestört hätte unterhalten können. Warum also ausgerechnet ein Golfplatz? Dies war die erste Frage auf ihrer Liste. Sozusagen zum Aufwärmen für beide Seiten. Obwohl sie ein harmloses Einstiegsgeplauder heute bestimmt nötiger haben würde als Mecidea.
    Sie holte nochmals tief Luft. Ihre Hände hinterließen feuchte Spuren auf dem Lenkrad. Mit einem Blick in ihren Taschenspiegel kontrollierte sie ihre Frisur und ihr Make-up . Zum wohl hundertsten Mal in der vergangenen Stunde. Dann stieg sie endlich aus. Der Weg bis zum Clubhaus, in dem sie sich laut der ihr gegebenen Anweisungen nach Cosimo Mecidea erkundigen sollte, war nicht weit. Die junge Frau am Empfang lächelte freundlich.
    »Ja, Frau Niemeyer, Herr Mecidea erwartet Sie bereits. Ich soll Ihnen ausrichten, dass er Sie auf der Range erwartet. Kennen Sie den Weg?«
    Anne schüttelte den Kopf.
    »Sie gehen den Gang hinunter durch die Glastür und den Sandweg geradeaus weiter. Dann müssten Sie Herrn Mecidea bereits am Abschlagsplatz sehen können.«
    »Danke.«
    »Gutes Spiel!«
    Anne nickte, sagte aber nichts. Wie sollte sie der freundlichen Frau auch erklären, dass sie nicht hier war, um Golf zu spielen, sondern um zu reden? Der Gang bestand aus Glas, sodass sie einen guten Überblick über den Golfplatz hatte. Da draußen war kein Mensch zu sehen. Lediglich ein Gärtner fuhr mit einem Düngewagen über den Rasen. Das war kein Wunder , es war schließlich Mittwochmorgen. Die meisten Menschen mussten um diese Zeit arbeiten, da bildeten Golfspieler bestimmt keine Ausnahme. Außerdem setzte gerade ein leichter Nieselregen ein, der bestimmt so manchen Golfer davon abhalten würde, sich an diesem Tag die Mühe zu machen und zum Platz zu fahren.
    Als Anne die Range erreichte, begrüßte Cosimo sie schon von weitem. Er winkte ihr zu, als wäre sie eine liebe alte Freundin. Wenn man bedachte, was dieser Mann ihr angetan hatte, in welches Chaos er ihr Leben gestürzt hatte, so war diese Art der Vertraulichkeit wirklich der Gipfel der Frechheit . Anne wurde wütend. Und im gleichen Maße, wie ihr Zorn wuchs, verschwand ihre Nervosität. Sie beschleunigte ihren Schritt und stand nur wenige Sekunden später Auge in Auge dem Mann gegenüber, dessen Gesicht sie in den vergangenen Nächten bis in ihre Träume verfolgt hatte – Cosimo Mecidea.
    »Es freut mich, Sie zu sehen, Anne«, sagte er in nahezu akzentfreiem Deutsch und reichte ihr mit einem Lächeln die Hand, als wären sie tatsächlich nur zum Golfspielen verabredet .
    »Dass die Freude auch auf meiner Seite liegt, kann ich nicht gerade behaupten«, entgegnete Anne kühl. »Dennoch bin ich Ihnen dankbar, dass Sie sich so zügig einen Termin freimachen konnten.«
    »Es ist mir ein Vergnügen.« Cosimo verneigte sich mit einem spöttischen Lächeln. Sie kannte dieses Lächeln aus ihrer Zeit in Florenz nur allzu gut. Am liebsten hätte sie es ihm aus dem Gesicht geschlagen. Diesem blassen und doch so ausdrucksstarken Gesicht mit den dunklen Augen. Er hatte etwas Diabolisches an sich, etwas, das wohl jeden Menschen mit ein bisschen Verstand Angst gemacht hätte. Und trotzdem spürte sie, wie sie wieder in seinen Bann geriet, wie er sie faszinierte. Und eine innere Stimme flüsterte ihr zu, dass Cosimo Mecidea lediglich ein Opfer seiner engstirnigen Mitmenschen war, der unbequeme Rebell, das missverstandene Genie. Nein, sie wollte nicht glauben, es konnte einfach nicht wahr sein, dass dieser Mann ihr jemals ein Leid zufügen wollte. Und genau wie in Florenz merkte sie, dass sie Cosimo mochte – wider besseres Wissen und gegen jede Vernunft.
    »Ich hoffe, ich habe Sie nicht zu lange warten lassen«, sagte sie, um von ihrer Verlegenheit abzulenken – nicht allein ihn, vor allem sich selbst.
    »Nein, nein, Sie sind überaus pünktlich«, erwiderte er. »Wir sind bereits weit vor der Zeit hier gewesen. Anselmo und ich bevorzugen es, vor einem Spiel auf der Range noch ein paar Bälle zu schlagen. Zum Aufwärmen.« Dann runzelte er die Stirn und betrachtete sie von Kopf bis Fuß. »Wo sind denn Ihre Schläger?«
    »Ich spiele kein Golf«, antwortete Anne und spürte, wie sie rot anlief. Warum?

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