Die Wächter von Jerusalem
nur um ein Haar missglückt war, und dem gelungenen Attentat auf Giuliano . Gut, Letzteres war keine Kunst. Vermutlich kannte jedes florentinische Kind im schulpflichtigen Alter die Geschichte der Pazzi, die sich mit den Feinden der Medici verschworen hatten, um sie aus der Stadt zu vertreiben, auswendig . Und doch besaß Cosimo ein Detailwissen, das nur ein Augenzeuge haben konnte.
»Es ist keine Einbildung, Anne. Es ist die Wahrheit. Das alles ist wirklich geschehen, und Sie waren dabei. Wir beide waren dabei.«
»Aber … aber …«, stotterte Anne und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Ihr Haar war mittlerweile feucht. »Aber wie ist das möglich?«
Cosimo holte sachte aus. Gemächlich rollte der Ball über den sorgfältig gestutzten Rasen und verschwand in dem kaum zwei Meter entfernten Loch.
»Das Elixier«, sagte er, bückte sich und fischte den Ball aus der Vertiefung. »Das Elixier der Ewigkeit, das ich Ihnen auf meinem Kostümfest am Samstagabend zu trinken gegeben habe. Dieses Elixier ist für alles verantwortlich. Für alles.«
»Ist es eine Droge, die Halluzinationen verursacht?«
»Nein«, antwortete Cosimo und seufzte, als würde die Last der Welt auf seinen Schultern ruhen. »Ich wünschte, es wäre so, aber das ist es leider nicht. Im Gegenteil. Das Elixier der Ewigkeit verleiht demjenigen, der davon trinkt, die Fähigkeit, in die Vergangenheit zu reisen. Leibhaftig, wie Sie ohne Zweifel an sich selbst feststellen konnten.«
Instinktiv berührte Anne ihren Brustkorb dort, wo sie plötzlich diese deutlich sichtbare Narbe trug, die sie sich nicht erklären konnte.
»Ich erinnere mich, dass Sie und auch Giacomo de Pazzi es erwähnt haben und ich versucht habe mehr darüber herauszufinden – allerdings ohne Erfolg. Niemand außer Ihnen und Giacomo schien davon zu wissen. Erzählen Sie mir mehr von diesem Elixier.«
»Wir – mein Freund Giacomo de Pazzi und ich – sind durch Zufall darauf gestoßen. Obgleich ich im Laufe meines Lebens gelernt habe, dass es keine wirklichen Zufälle gibt. Eigentlich wollten wir an diesem Tag zum Markt, um uns von der›Hexe‹ einen Liebeszauber geben zu lassen. Wir waren jung, wir beide, gerade siebzehn Jahre alt. Doch statt eines Liebeszaubers gab uns die Hexe eine rätselhafte, uralte Schrift.« Er seufzte tief. »Natürlich witterten wir Abenteuer und Geheimnisse, insbesondere, weil die Hexe uns erzählte, dass es eine Handschrift des Magiers Myrridhin Emrhys sei, der Allgemeinheit besser bekannt unter dem Namen Merlin. Es war angeblich ein Teil aus seinem Werk, in dem er sein Wissen …«
»Warte, Cosimo«, unterbrach ihn Anselmo leise, legte warnend einen Finger auf die Lippen und deutete auf eine Gruppe von Bäumen und Sträuchern direkt vor ihnen. »Sieh nur, dort ist jemand.«
Tatsächlich stand auf dem Rasen fast unsichtbar vor dem dichten, vom Regen glänzenden Laub eine dunkle Golftasche. Und als sie genauer hinsah, erkannte Anne auch eine Gestalt, die durch das Gebüsch streifte. Es war ein Mann, der mit einem Golfschläger Zweige zur Seite bog, als ob er etwas suchen würde.
»Guten Tag«, sagte Cosimo freundlich, als sie nahe genug herangekommen waren.
»Oh, guten Tag«, erwiderte der Mann, während er mit seinem Schläger in einem alten Laubhaufen herumstocherte. Schließlich zuckte er resigniert mit den Schultern. »Ich fürchte, dieser Ball ist auch weg.« Er bahnte sich einen Weg durch das dichte Gestrüpp und blieb mit seiner Regenjacke an einem der Zweige hängen. »Verdammter Mist!«, schimpfte er, als er sich mühsam von den Ranken befreite. Dann trat er mit einem verlegenen Lächeln zu ihnen auf den Rasen. »Das ist schon der siebte, den ich heute verloren habe. Wenn das so weitergeht, kann ich die Runde nicht mehr zu Ende spielen. Warten Sie nicht auf mich, gehen Sie gern vorbei.«
Er hatte eine angenehme Stimme mit einem englisch klingenden Akzent.
»Wollen Sie uns nicht für den Rest der Runde begleiten?«, bot Cosimo an. Anne schickte ein stummes Gebet zum Himmel . Der Unbekannte sah gut aus und hatte ein sehr sympathisches Lächeln. Normalerweise hätte sie gegen seine Begleitung bestimmt nichts einzuwenden gehabt. Im Gegenteil. Aber das musste nun wirklich nicht ausgerechnet heute sein, nicht an dem Tag, an dem sie etwas Wichtiges mit Cosimo zu besprechen hatte. Doch sie hatte Glück, ihr Gebet wurde erhört.
»Vielen Dank für das Angebot«, erwiderte der Mann und schüttelte den Kopf. »Aber heute bin ich bestimmt
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