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Die Wächter von Jerusalem

Die Wächter von Jerusalem

Titel: Die Wächter von Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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potenzielle Terroristin verhaftet. Und wie hätte sie ihre Unschuld beweisen sollen? Wer hätte ihr schon die Geschichte von einem geheimnisvollen Elixier und seltsamen Reisen in die Vergangenheit geglaubt?
    »Ja«, hatte Anne geantwortet und sich gewundert, wie ruhig und normal ihre Stimme geklungen hatte. »Der Druckausgleich bei Start und Landung macht meinen Nebenhöhlen immer zu schaffen.« Sie konnte wirklich schamlos lügen, wenn sie wollte – oder wenn sie es musste. Das brachte wohl der Beruf mit sich.
    Die Frau hatte verständnisvoll genickt, und Anne hatte ihre Habseligkeiten wieder einpacken dürfen.
    Die Wartezeit in der Flughalle verbrachte sie damit, hin und her zu wandern. Zweimal hatte sie das WC aufgesucht, nur um im Schutz der abgeschlossenen Kabine zu überprüfen, ob mit der kleinen Flasche noch alles in Ordnung war. Sie hatte das Gefühl, das Ding würde ihr ein Loch in die Handtasche brennen.
    Anne machte sich Sorgen und außerdem schwere Vorwürfe. Woher sollte sie denn wissen, dass sich hinter Cosimo und Anselmo nicht in Wirklichkeit radikale Moslems verbargen, die ihr mit ihrer verrückten Geschichte nur einen Bären aufgebunden hatten? Wie sollte sie wissen, dass sich in der Flasche wirklich das Elixier der Ewigkeit befand und nicht etwa eine selbstentzündende Flüssigkeit, mit der man ein Flugzeug in die Luft sprengen konnte? Je länger sie darüber nachgedacht hatte, umso mehr hätte sie sich für ihre Leichtgläubigkeit ohrfeigen können. Sie hatte sich bereits nach Sicherheitsbeamten umgesehen , die sie ins Vertrauen ziehen und denen sie die Flasche übergeben konnte, als ihre Flugnummer aufgerufen wurde und sie sich zum Einchecken aufstellen musste. Bis zur letzten Sekunde hatte sie gezögert. Doch als sie schließlich an der Reihe war, reichte sie der Stewardess nur ihre Bordkarte – und hielt den Mund.
    Erst als Anne ihren Platz an Bord des Flugzeugs eingenommen hatte, wurde sie ein wenig ruhiger. Sie tröstete sich damit, dass auch Beatrice an eine Zeitreise geglaubt hatte. Argumente fielen ihr ein, die für die Wahrheit der Geschichte über das Elixier der Ewigkeit sprachen. Da waren die Befunde, die ihre Ärztin erhoben hatte und sich nicht erklären konnte, Befunde, die auf eine Schwangerschaft hindeuteten. Da war die große Narbe auf ihrem Brustkorb.
    Ihre Sitznachbarin, eine Nonne in grauer Ordenstracht, erzählte ihr freudestrahlend von ihrer Reisegruppe und der bevorstehenden Pilgerfahrt zu den biblischen Stätten im Heiligen Land. Anne war nicht sonderlich religiös. Doch in dieser Situation – in einem israelischen Flugzeug auf dem Weg in die von Kämpfen und Konflikten gebeutelte Stadt Jerusalem mit einer Flüssigkeit in der Tasche, die sich ohne weiteres als Sprengsatz entpuppen konnte – war es ein tröstlicher Gedanke , eine Nonne neben sich sitzen zu haben. Vielleicht würde Gott in diesem Fall ein besonderes Auge auf die Sicherheit des Flugzeugs und seiner Insassen haben.
    Anne lehnte sich in ihrem Sitz zurück und sah aus dem Fenster. Tief unter ihnen schwebten Wolken, die aussahen wie Bälle aus weißer Watte, und dazwischen konnte sie immer wieder ein Fleckchen Erde erkennen – mal braun, mal grün, mal von dünnen silbrigen Fäden durchzogen und immer winzig klein. Das Flugzeug hatte die endgültige Flughöhe erreicht. Auf ihrem Schoß lag die Ledermappe, die Anselmo ihr am Morgen gegeben hatte, und darin befand sich Cosimos Brief. Sie hatte sich immer noch nicht getraut, ihn zu öffnen.
    Nach dem Essen, dachte Anne und sah zu, wie die Stewardessen damit begannen, die Tabletts mit dem Mittagessen zu verteilen. Wenn ich gegessen habe, werde ich den Brief lesen.
    Doch selbst als die Tabletts wieder abgeräumt waren, Anne ihr zweites Getränk zu sich genommen und anschließend eine Flasche ihres Lieblingsparfums von Bulgari gekauft hatte, hatte sich der Zustand des Briefes noch nicht geändert. Warum nur fürchtete sie sich so vor dem, was Cosimo ihr geschrieben hatte? Worte konnten doch nicht gefährlich sein? Oder etwa doch? Einen Augenblick lang verfolgte sie den Bericht über das Tote Meer am Bildschirm vor sich. Dann endlich griff sie nach dem Umschlag, riss ihn auf und entnahm ihm eine Visitenkarte mit einer handgeschriebenen Telefonnummer und einen Bogen Papier. Er war eng mit Cosimos charakteristischer, ein wenig altmodisch aussehender Handschrift beschrieben. Und – zu ihrem großen Erstaunen – schrieb er auf Deutsch. Sie begann zu lesen.
    »Liebe

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