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Die Wächter von Jerusalem

Die Wächter von Jerusalem

Titel: Die Wächter von Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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wirkte die rote Flüssigkeit fast schwarz. Kaum vorstellbar , dass eine Verwechslung mit gewöhnlichen Nasentropfen möglich war, aber sie beschloss, vorsichtig zu sein. Sie würde bestimmt keine Nasentropfen in ihre Handtasche packen.
    »Das Elixier der Ewigkeit«, sagte sie langsam. »Und es ist auch genug? Es kommt mir so wenig vor. Ich weiß, dass Cosimo bisher an alles gedacht hat, aber ist es wirklich sicher, dass …«
    Anselmo legte ihr eine Hand auf den Arm.
    »Ja. Seien Sie unbesorgt, Sie werden nicht in der falschen Zeit ankommen. In dieser Flasche befindet sich genau die Menge, die nötig ist, um Sie in das Jahr 1530 zu bringen.«
    Anne atmete tief durch. Wie oft hatte sie in den letzten Tagen an dieses Elixier gedacht? Bestimmt tausendmal. Oft genug war ihr alles wie ein Traum erschienen. Und jetzt stand sie hier in ihrer Wohnung und hielt es in der Hand. Es war kaum zu glauben.
    »Kaum vorstellbar, dass dieses bisschen Flüssigkeit …«
    »Und doch steckt darin eine ungeheure Kraft.«
    »Ist es gefährlich?«, fragte Anne und spürte plötzlich überdeutlich ihren Herzschlag. »Ich meine, Cosimo sprach von Nebenwirkungen. Werde ich dann etwa auch …«
    Anselmo schüttelte den Kopf. »Nein. Nicht in dieser Dosis. Sie haben wirklich nichts zu befürchten, Anne.«
    Anselmo war ein Dieb, ein Gauner. Weshalb also sollte sie ausgerechnet ihm vertrauen? Sie öffnete die Tür.
    »Eine Frage noch, Anselmo.«
    »Ja?«
    »Als Sie selbst von dem Elixier getrunken haben, wussten Sie da bereits von den Nebenwirkungen?«
    »Nein, aber vieles haben wir geahnt.«
    »Und weshalb haben Sie es dann trotzdem getan?«
    »Aus Freundschaft«, erwiderte Anselmo mit einem Lächeln. »Auch wenn Sie es mir kaum glauben werden.«
    »Und … und …« Anne begann zu stottern. Zum ersten Mal, seit sie ihre Karriere als Journalistin begonnen hatte, wusste sie nicht, wie sie eine Frage formulieren sollte. Dabei war es eigentlich eine simple Frage. »Ich meine, Sie erleben den Traum vom ewigen Leben, einen der großen Träume der Menschheit. Wie ist es denn, mehr als fünfhundert Jahre zu leben?«
    »Lang, Signorina Anne«, sagte Anselmo, und das Lächeln verschwand von seinem Gesicht. »Entsetzlich lang.«
    Annes Reise
    Als Anne einige Stunden später im Flugzeug nach Jerusalem saß, konnte sie es immer noch nicht fassen. Sie hatte es wirklich getan. Sie musste verrückt geworden sein.
    Nachdem Anselmo gegangen war, hatte sie sich in Windeseile angezogen, ihren kleinen Handkoffer mit dem Allernötigsten gepackt und war in das Taxi gestiegen, das Cosimo Mecidea bereits für sie bestellt hatte. Sie war Hals über Kopf von zu Hause aufgebrochen, nur auf eine Geschichte und die irrationale Aussicht hin, ihren Sohn zu treffen. Ihren Sohn, der vor fünfhundert Jahren geboren worden war, als sie mal eben auf einer Reise durch die Zeit einen Zwischenstopp in Florenz eingelegt hatte. Das war mehr als verrückt. Und doch hatte sie sich eine ganze Weile keine Gedanken über die Konsequenzen dieser überstürzten Reise gemacht. Erst als sie am Frankfurter Flughafen durch die Schranke ging und sich den verschärften Sicherheitskontrollen der israelischen Fluggesellschaft unterziehen musste, kamen ihr erste Zweifel an der Klarheit ihres Verstandes. Sie war im Begriff, eine Geschichte zu glauben, die mehr als fragwürdig war.
    Das darfst du niemandem erzählen, hatte sie gedacht, während sie ihre Umhängetasche hatte öffnen und den Inhalt vor einer Sicherheitsbeamtin ausbreiten müssen. Die halten dich sonst alle für übergeschnappt.
    Die Sicherheitsbeamtin hatte routiniert und emotionslos ihren Blick über die vor ihr liegenden Gegenstände gleiten lassen , hatte den Terminplaner in die Hand genommen, den darin befindlichen Kugelschreiber begutachtet und den Inhalt der Puderdose geprüft. Schließlich hatte sie die Pipettenflasche in die Hand genommen. Annes Pulsfrequenz war augenblicklich nach oben geschnellt.
    »Nasentropfen?«, hatte die Sicherheitsbeamtin mit einem kurzen Blick auf das Etikett gefragt. Anne hatte kaum mehr atmen können. Und noch auf ihrem Sitz im Flugzeug spürte sie das Zittern ihrer Knie angesichts dessen, was hätte geschehen können, wenn die Frau Verdacht geschöpft hätte, wenn sie die Flasche aufgeschraubt und gerochen hätte, dass es sich keineswegs um Nasentropfen handelte. Tja, dann wäre es wohl aus gewesen mit der Reise nach Jerusalem. Dann hätte man sie wohl an Ort und Stelle als Drogenschmugglerin oder

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