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Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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geschützt… Ein Leben kann viele überraschende Wendungen nehmen… Wir kommen nicht immer dorthin, wohin wir wollen… «
    Das kochende Wasser dampfte in dem kleinen Kessel, und Caillean goß den Tee auf - eine Mischung aus Kamille, Schafgarbe und Silberweide - und nahm ihn vom Feuer.
    »Die Göttin weiß, ich habe es nicht so gewollt… «, brach es plötzlich aus Lhiannon heraus. »Ardanos und ich… was hatten wir für Träume, als wir jung waren… aber er wollte die Macht… und er hat mir nichts gelassen… «
    Du hättest dich gegen ihn behaupten können. Du bist die Stimme der Göttin gewesen. Dreißig Jahre lang haben die Menschen an deine Worte geglaubt. Und du ahnst nicht einmal, was du gesagt hast! Wenn du dir je eingestanden hättest, was er von dir verlangt, dann hättest du handeln müssen. Erst dann wäre aus dem falschen Schein göttlicher Autorität, die über dem Tun der Menschen steht, Wirklichkeit geworden…
    Aber Caillean verbot sich, diese Gedanken auszusprechen, denn andererseits hatte Lhiannon den unwissenden Menschen mehr Hoffnung geschenkt, als Caillean mit all ihrer Klugheit es hätte tun können. Das glich ihre Fehler aus, auch wenn Kritikerinnen wie Dieda es nicht wahrhaben wollten.
    Caillean rührte etwas Honig in den Tee, um die Bitterkeit zu mildern, schob den Arm unter Lhiannons Schultern und hielt ihr den Löffel an die Lippen. Die Kranke warf den Kopf unruhig von einer Seite zur anderen. Tränen liefen über ihre Wangen.
    »Ich bin so müde, Caillean… «, flüsterte sie, »so müde… und ich habe Angst… «
    »Komm, trink einen Schluck… Alle, die dich lieben und verehren, sind an deiner Seite«, sagte Caillean beruhigend. »Trink das, und dann geht es dir besser.«
    Lhiannon gehorchte, trank den bitteren Tee und seufzte.
    »Ich habe Ardanos versprochen, meine Nachfolgerin selbst zu wählen… damit seine Pläne nicht gestört werden… Ich weiß, er wartet… « Sie verzog das Gesicht. »Er wartet wie eine Krähe neben einem todkranken Schaf… Es sollte Eilan sein, aber sie… muß bald hier weg… Jetzt sagt er, ich soll Dieda wählen… aber das werde ich nicht… sie würde nicht… «
    Lhiannon mußte husten, und Caillean stellte schnell den Becher ab. Sie richtete Lhiannon etwas höher auf und klopfte ihr behutsam auf den Rücken, bis sich der Hustenreiz legte.
    »Ich werde nicht… «, Lhiannon rang nach Luft.
    »Bis die Göttin dir zeigt, was SIE will«, beendete Caillean an Lhiannons Stelle den Satz, und zum ersten Mal seit vielen Wochen lächelte die Hohepriesterin von Vernemeton erleichtert.

    Lhiannon würden nur noch wenige Tage bleiben. Jetzt sahen es alle - alle außer vielleicht Caillean, die sie aufopferungsvoll und mit verzweifelter Entschlossenheit pflegte. Tag und Nacht wich sie kaum von ihrer Seite und verließ das Haus der Hohenpriesterin nur selten. Selbst jene, die Caillean immer eher mißtrauisch als eine Fremde abgelehnt hatten, mußten ihre Ausdauer und Willensstärke bewundern.
    Auch Dieda und Eilan sahen deutlich das Unvermeidliche, aber sie brachten beide nicht den Mut auf, mit Caillean darüber zu sprechen.
    »Sie hat so große Fähigkeiten zu heilen«, sagte Dieda. »Sie muß es sehen und sich eingestehen, daß alles vergebens ist.«
    Eilan wollte ihr nicht widersprechen.
    Wahrscheinlich hätte Caillean ihren Mut und ihre Kraft verloren, wenn sie es sich so nüchtern eingestanden hätte wie alle anderen.
    Aber dann kam der Tag, an dem auch Caillean die Augen nicht länger vor den Tatsachen verschließen konnte. Ardanos ordnete an, daß die Priesterinnen bei der Sterbenden Wache hielten. Sein Gesicht war aschgrau und von Kummer gezeichnet. Eilan mußte wieder daran denken, daß Dieda einst behauptet hatte, er liebe Lhiannon. Wenn das der Fall war, dann mußte das sehr lange her oder eine sehr seltsame Art Liebe sein.
    Ich würde das nicht als Liebe bezeichnen, und ich erwarte etwas anderes von der Liebe.
    Ardanos saß neben der bewußtlosen Lhiannon und hielt ihre Hand. Die Priesterinnen erschienen und hielten zu zweit oder zu dritt Wache, und Caillean achtete darauf, daß niemand die Sterbende beunruhigte oder störte.
    »Warum gönnt sie sich nicht ein wenig Ruhe? Ich glaube, niemand wird Lhiannon noch einmal zu nahe treten können«, flüsterte Eilan besorgt Dieda zu, die wortlos nickte.

    Die Sonne würde bald untergehen. Ardanos hatte das Haus der Hohenpriesterin verlassen, um etwas frische Luft zu schöpfen. Wie alle Krankenzimmer war

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