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Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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auch dieses heiß und stickig. Niemand konnte es ihm übelnehmen, wenn er nach einem langen Tag hinaus ins Freie wollte.
    Mittsommer war schon lange vorbei, aber es war noch immer hell. Die untergehende Sonne tauchte den Raum in warmes, sanftes Licht, und Eilan wußte, es würde bald dunkel sein. Sie stand auf, um die Öllampe anzuzünden, als sie plötzlich bemerkte, daß Lhiannon aufgewacht war und sie zum ersten Mal seit Tagen mit klaren Augen anblickte.
    »Wo ist Caillean?« flüsterte sie heiser.
    »In der Küche, Mutter«,erwiderte Eilan. »Soll ich sie rufen?«
    »Nein, dazu ist keine Zeit… « Lhiannon hustete, dann flüsterte sie: »Komm her… bist du Dieda?«
    »Ich bin Eilan. Dieda ist nebenan bei den Priesterinnen, die Wache halten. Soll ich sie rufen?«
    Ein merkwürdig klingendes Röcheln kam aus der Kehle der Sterbenden, und Eilan sah zu ihrer Verblüffung, daß Lhiannon zu lachen versuchte.
    »Ich kann euch beide noch immer nicht richtig auseinanderhalten«, flüsterte sie. »Verstehst du, es ist das Werk der Göttin… «
    Eilan dachte, Lhiannon rede im Delirium. Man hatte ihr gesagt, daß so etwas vor dem Ende kommen könnte. Aber dann stieß die Hohepriesterin rauh hervor: »Ruf Dieda. Mir bleibt nur noch wenig Zeit. Hab keine Angst, ich bin völlig klar bei Verstand… Ich weiß sehr wohl, was ich tun muß… Ich muß es zu Ende bringen, bevor ich sterbe.«
    Eilan eilte zu Tür, um Dieda zu rufen. Als sie beide zurückkehrten und nebeneinander am Bett standen, lächelte die Sterbende.
    »Es stimmt, was man sagt… «, flüsterte sie, »Sterbende sehen mehr… Jetzt weiß ich, was Ardanos versucht hat… und ihr werdet es auch wissen, wenn ihr soweit seid… « Sie sammelte Kraft, dann sagte sie leise, aber klar und deutlich: »Dieda, du mußt jetzt meine Zeugin sein… Eilan, Tochter der Rheis, nimm den Torque , der neben mir liegt… Nimm ihn!«
    Sie rang nach Luft, und Eilan nahm zitternd den geflochtenen goldenen Reif, der auf dem Kissen lag.
    »Und auch die Armreife… Leg sie an… «
    »Aber nur die Hohepriesterin… «, wollte Eilan widersprechen. Die Augen der Sterbenden richteten sich jedoch mit solcher Kraft auf sie, daß Eilan verstummte, den Halsreif öffnete und ihn anlegte. Im ersten Augenblick war er kalt. Dann schmiegte er sich glatt um ihren schlanken Hals und wärmte ihn, als sei er dankbar, wieder von einem Menschen getragen zu werden.
    Dieda stieß einen erstickten Schrei aus, aber Lhiannons Husten übertönte sie.
    Dann sagte die Hohepriesterin heiser und mit letzter Kraft: »So sei es denn… Jungfrau und Mutter, ich sehe in dir jetzt die Göttin… Sagt es Caillean… « Sie verstummte und schien nach Luft zu ringen. Dann hob sie die Hand und berührte noch einmal das schwere Gold.
    »Ich höre Caillean draußen, Mutter. Soll ich sie rufen?« fragte Dieda.
    »Geh«, flüsterte Lhiannon, und das Reden schien ihr etwas leichter zu fallen. »Sag ihr, daß ich sie liebe… «
    Als Dieda aus dem Zimmer eilte, richtete sich der Blick der Sterbenden auf Eilan.
    »Ich weiß jetzt, was Ardanos wollte, als er dich zu meiner Nachfolgerin auserkoren hat… Aber die Göttin führte mich zu Dieda… Er hat sich in dir geirrt… und doch hat er den Willen der Göttin erfüllt!«
    Sie verzog die Lippen, und Eilan wußte, daß sie lachte.
    »Vergiß nicht… es ist wichtig! Nur die Göttin kann euch unterscheiden… nicht die Römer… Jetzt sehe ich… «
    Sie verstummte, und das Licht in ihren Augen erlosch.
    Eilan blickte sie staunend an und konnte sich nicht von der Stelle rühren.
    Als Caillean das Zimmer betrat, fragte sie: »Schläft Lhiannon? Wenn sie schlafen kann, dann braucht sie die bittere Medizin nicht zu nehmen… « Sie trat an das Bett, hielt den Atem an und flüsterte: »Sie muß die bittere Medizin nie mehr nehmen… «

    Caillean kniete neben dem Bett und küßte Lhiannon auf die Stirn. Dann schloß sie ihr behutsam die Augen. Mit jedem Augenblick, der verging, verlor das Gesicht der Toten mehr von ihrer Identität. Sie schien bereits nicht mehr bei ihnen zu sein und sah bald nicht mehr wie Lhiannon aus.
    Eilan schlang die Arme um sich und zuckte zusammen, als sie das harte Gold der Armreifen spürte. Ihr war schwindlig, und sie fror.
    Als Caillean sich erhob, fiel ihr Blick auf die Insignien, die Eilan trug. Einen Augenblick lang blieb sie regungslos stehen, dann lächelte sie.
    »Hohepriesterin von Vernemeton, ich verneige mich vor dir und grüße dich im Namen der

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