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Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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All-Mutter!«

    Ardanos betrat hinter Dieda das Zimmer. Er beugte sich über die Tote und richtete sich langsam wieder auf.
    »Sie ist gestorben«, sagte er, und seine Stimme klang seltsam tonlos und schwach.
    Während er sich umdrehte, zuckte es um seinen Mund, als er die goldenen Insignien sah, die Eilan trug. Er schwieg, denn in diesem Augenblick kamen die Priesterinnen herein, die draußen Wache gehalten hatten. Die alte Latis schob sich an den anderen vorbei und verneigte sich vor Eilan. Dann sagte sie mit einer Ehrerbietung, die Eilan erzittern ließ: »Ich bitte dich, Stimme der Göttin, sage uns alles, was dir die gestorbene Hohepriesterin mit ihren letzen Atemzügen anvertraut hat.«

    »Lhiannon, die Göttin möge ihr Ruhe schenken, hat einen sehr ungünstigen Zeitpunkt für ihren Tod gewählt«, sagte Ardanos erregt. »Wir brauchen für das Ritual an Lugnasa eine Orakelpriesterin, die die Göttin zu den Menschen herabruft, und es ist wohl klar, daß wir Eilan nicht nehmen können!« Er musterte die beiden Frauen finster.
    Die drei Tage der rituellen Trauer waren vorüber, und Lhiannons Asche war der Erde übergeben worden. Ardanos staunte, wie sehr er gerade hier in diesem Raum litt, in dem er immer mit Lhiannon zusammengewesen war. Ihr Tod schmerzte ihn mehr, als er sich eingestehen wollte.
    Caillean wirkte nachdenklich, aber Eilan sah ihn mit großen undurchdringlichen Augen an. Er erwiderte ihren Blick. Die Vorstellung, daß dieses Mädchen, dieses schwangere Mädchen an Lhiannons Stelle treten sollte, war reiner Hohn. Daran änderte auch nichts, daß sie seine Enkeltochter war.
    »Nun ja… «, sagte Caillean, »du weißt so gut wie ich, daß es reiner Aberglaube ist zu behaupten, nur eine Jungfrau könne der Göttin dienen. Aber du hast recht, es wäre für Eilan und das Kind sehr gefährlich, in diesem Augenblick die Stimme des Orakels zu sein.«
    Die alten Überlieferungen sprachen nicht davon, daß eine Frau unberührt bleiben mußte, um eine Priesterin zu sein, doch für die großen Rituale war sexuelle Enthaltsamkeit erforderlich. Für das Mysterium der völligen Hinwendung von Körper und Geist mußte eine Reinigung stattfinden, denn erst dann konnte die Göttin durch den Mund einer Sterblichen sprechen.
    Wenn die göttliche Kraft ungehindert fließen sollte, mußte sich der Geist von den Sinnen und dem Bewußtsein lösen. Deshalb war es einer Priesterin in der Vorbereitungszeit verboten etwas zu tun, das ihre Sinne stimulieren und ihre Energiekanäle blockieren konnte. Dazu gehörte auch, das Fleisch bestimmter Tiere zu essen, Met oder anderen Alkohol zu trinken und mit einem Mann zu schlafen.
    »Daran hätte Lhiannon denken sollen, als sie ihren Todestag wählte… « Der höchste Druide haderte mit dem Schicksal. »Das mit Eilan geht einfach nicht! Es ist schlimm genug, daß sie noch hier in Vernemeton ist. Aber eine schwangere Hohepriesterin? Das ist unmöglich!«
    »Ich könnte an ihrer Stelle das Ritual vollziehen… «, bot Caillean an.
    »Und wie bitte, sollen wir das den Menschen erklären? Wir könnten so etwas wagen, wenn Lhiannon noch krank wäre, aber alle wissen, daß sie gestorben ist.« Er schüttelte energisch den Kopf und ging erregt auf und ab. »Die Übergabe der Macht ist immer heikel. Alle fragen sich, ob die neue Priesterin die Prüfung überlebt. Die Menschen sind verständlicherweise verunsichert, denn sie wollen wissen, ob die Göttin auch jetzt noch zu ihnen spricht, nachdem Lhiannon tot ist.«
    Er legte die Hand auf seine schmerzende Stirn. Sie alle hatten in der letzten Zeit viel zu wenig geschlafen. Caillean hatte dunkle Ringe unter den Augen, und ihre Wangen waren eingefallen. Trotz der gesundheitlichen Blüte durch die Schwangerschaft wirkte Eilan angespannt und sehr gereizt.
    Lhiannon hatte durch ihre Entscheidung für Eilan ihnen allen eine schwere Prüfung auferlegt.
    »Bei den Wäldern von Albion«, sagte Ardanos entschlossen, »welche Hirngespinste Lhiannon auch vor ihrem Ende quälen mochten, ich werde nicht zulassen, daß alles zerstört wird, was wir hier in Vernemeton unter so großen Mühen aufgebaut haben! Ich bin für das ganze Land verantwortlich, und ich habe nicht vergessen, daß es in ganz Albion außer Vernemeton keinen heiligen Hain mehr für unsere Priesterinnen gibt.«
    Er seufzte und setzte sich. Dann sagte er etwas ruhiger: »Es hilft also alles nichts. Wir müssen die Wahl der Nachfolgerin wiederholen. Es gibt einen Präzedenzfall. Die alte

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