Die Wälder von Albion
wenn er einen Vertrag aushandelt. Wenn man ihr zuhört, dann könnte man glauben, die Ehe sei eine Beförderung…
Aber Julia war in der Hauptstadt aufgewachsen, und vermutlich war eine Ehe für sie nichts anderes als ein gesellschaftlicher Aufstieg. Was sonst konnte eine römische Frau von der Ehe erwarten? Was wußte sie von der Leidenschaft im Blut, wenn die Beltane-Feuer entzündet wurden… von der Sehnsucht, die das Herz verzehrt, von den wehmütigen Klängen der Flöten, der Lieder der Hirten auf den Hügeln? Was ahnte sie von dem Gefühl der Vollkommenheit, von der Erfüllung aller Träume, die ein Blick, ein Kuß bewirken konnte?
Wie auch immer, sein Vater hatte dafür gesorgt, daß er Eilan nicht mehr sehen durfte. Julia würde zweifellos entsetzt sein, wenn sie erfuhr, daß seine Geliebte das keltische Gegenstück einer Vestalin war…
Doch sie ahnte nichts von seinen Gedanken. Sie lebte in der Welt ihrer ehrgeizigen Wünsche und machte bereits Pläne. Wieder einmal hatte Gaius das Gefühl, er sei das Ziel einer gut vorbereiteten Belagerung.
»Vater wird dich mit Depeschen für Agricola in den Norden schicken… «
Gaius hob die Augenbrauen, denn davon wußte er noch nichts. Aber wirklich überraschend kam das nicht. Julia wurde von jedem Mann im Tabularium angebetet, und wenn Einsatzbefehle oder wichtige Änderungen erwogen wurden, dann erfuhr sie immer alles als erste.
Nur diejenigen, die die Suppe auslöffeln müssen, erfahren es zuletzt!
»Auf dem Weg dorthin kannst du dir die Zeit nehmen, diese Frau zu sehen. Wenn du zurückkommst, dann wirst du ganz, ganz sicher sein, daß du mich heiraten möchtest.«
Gaius unterdrückte ein Lächeln, denn so viel, wie sie zu wissen glaubte, wußte sie trotz allem nicht, wenn sie dachte, auf einem Ritt zu Agricola hätte er Zeit für persönliche Abstecher. Aber vielleicht würde sich doch eine Gelegenheit bieten… Sein Herz klopfe bereits schneller bei dem Gedanken, Eilan wiederzusehen. Venus sei Dank, daß Julia auch diesmal seine Gedanken nicht lesen konnte, obwohl er manchmal den Eindruck hatte, sie besitze die Fähigkeiten einer Sibylle, wenn es um die Erfüllung ihrer Wünsche ging - vielleicht besaßen alle Frauen, die so ehrgeizig waren wie Julia, diese Gabe.
Seine bezaubernde Braut redete jedenfalls bereits von ihrem Hochzeitsschleier, der aus einem märchenhaften Stoff sein sollte, den Karawanen um die halbe Erde brachten.
Die Nachricht, Londinium verlassen zu dürfen, erfüllte Gaius insgesamt mit Erleichterung, selbst wenn er zu den wilden Caledoniern reiten mußte, denn der normale Militärdienst war doch einfacher als das Leben in der römischen Gesellschaft.
17. Kapitel
Als sich der Sommer dem Lugnasafest näherte, hatte Eilan den Eindruck, daß sich Lhiannons Zustand nicht mehr bessern werde. Die Herzbeschwerden der Hohenpriesterin ließen nicht nach, und sie war ständig müde. Ardanos erschien täglich im Heiligtum. Anfangs hatte sich Lhiannon noch mit ihm unterhalten, aber je mehr Tage vergingen, desto seltener richtete sich ihr Blick noch nach außen. Und so saß er stumm an ihrem Bett. Manchmal redete er mit Caillean oder auch zu den Wänden. Wenn er dann schließlich gegangen war, wirkte Caillean nachdenklich und in sich gekehrt. Sie war schon immer daran gewöhnt gewesen, mit sich selbst zu Rate zu gehen und niemanden mit ihren Sorgen zu belasten.
Eilan fand es eigenartig, daß sich in ihrem Körper die Geburt eines neuen Menschen vorbereitete, während sich in Lhiannon eine ähnliche Verwandlung vollzog, an deren Ende sich die Seele aus ihrem Körper lösen sollte. Aber niemand konnte sagen, in welcher Welt sie wiedergeboren werden würde.
Die Freude über das neue Leben, das in ihr heranwuchs, war durch die Trauer um Lhiannon gedämpft. In Vernemeton wurde es überall sehr still. Die Frauen gingen ihren Aufgaben mit sehr gemischten Gefühlen nach. Niemand wagte jedoch, danach zu fragen, wer Lhiannons Nachfolgerin sein würde.
Die Übelkeit am Anfang der Schwangerschaft war vorüber, und Eilan hatte nur noch das Problem, die Veränderungen ihres Körpers zu tarnen. Vermutlich war es ein Glück, daß Lhiannons Krankheit alle sehr beschäftigte und jeder mehr als sonst in sich gekehrt war.
Aber was sollte sie tun, wenn das weite Gewand den schwellenden Leib nicht mehr verbergen konnte? Caillean schien sich deshalb keine Sorgen zu machen. Als Eilan sie einige Male darauf ansprach, schob sie die Frage beiseite. Trotz allem konnte
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