Die Wälder von Albion
geschickt, bis das Kind da war, damit niemand ihre Schande sah.
Die Wahrheit war natürlich so abwegig, daß niemand das Täuschungsmanöver durchschaute. Von Dieda verlangte die Rolle, die sie dabei spielen mußte, erfreulicherweise sehr wenig, denn nach der Schlacht am Mons Graupius hatte der Statthalter der Provinz alle öffentlichen Versammlungen verboten, um Unruhen vorzubeugen. An Samhain mußten sich die Menschen im Land mit Äpfeln, Nüssen und dem eigenen Feuer begnügen. Es gab kein Fest, keinen Markt und kein Ritual mit der Hohenpriesterin.
Eilan verbrachte den Winter zufrieden im tiefen Wald. Die runde Hütte ließ sich gut heizen und war wohlig warm. Caillean besuchte sie einmal in der Woche. Eine alte Frau, die nicht wußte, wer Eilan war, versorgte sie.
Eilan errichtete neben dem Feuer der Göttin und All-Mutter einen kleinen Altar. Sie beobachtete gelassen, wie sich ihr Leib langsam wölbte, und überließ sich ganz der Freude über das neue Leben, das in ihr heranwuchs. Aber auch Sorgen quälten sie, denn sie wußte nicht, ob sie den Vater des Kindes noch einmal sehen würde. Die Zukunft schien so undurchdringlich wie der dichte hohe Schnee vor der Hütte. Mit der Kälte schwand die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Gaius, und das Licht der Sonne schien selbst die kurzen Tage nicht mehr hell werden zu lassen.
Aber es entsprach dem natürlichem Gang der Dinge, daß selbst der längste Winter schließlich dem Frühling weichen mußte. Manchmal hatte Eilan jedoch den Eindruck, sie werde in alle Ewigkeit schwanger sein, aber dann rückte Brigantia näher - und an diesem Fest sollte ihr Kind zur Welt kommen.
Ein paar Tage vorher erschien Caillean unvermutet bei ihr in der Hütte. In der letzten Zeit kamen Eilan schnell die Tränen. Sie freute sich über den Besuch ihrer Freundin, aber bei ihrem Anblick hätte sie am liebsten wieder geweint.
»Ich habe heute morgen frisches Haferbrot gebacken«, sagte Eilan schnell und unterdrückte die Tränen, »wie schön, daß du da bist. Bleib doch zum Mittagessen… « Sie zögerte. »Es sei denn, meine sündige Gegenwart ist dir lästig, und du hast das Gefühl, ich könnte dich anstecken… «
Caillean lachte. »Niemals!« antwortete sie. »Wenn es nicht so heftig geschneit hätte, wäre ich schon früher gekommen.«
»Was gibt es Neues in Vernemeton?« fragte Eilan. »Was macht Dieda? Du mußt mir alles ausführlich erzählen. Ich werde langsam ungeduldig und von Tag zu Tag unbeweglicher!«
»Aber nicht doch… « Caillean lächelte. »Du bist wie ein Baum, der nicht im Herbst, sondern im Frühjahr Früchte trägt. Und was Vernemeton angeht… Dieda erledigt pflichtschuldig alle deine Aufgaben, wenn auch vielleicht nicht so gut, wie du es machen würdest. Aber niemand ahnt etwas von unserem Geheimnis. Mach dir keine Sorgen, ich verspreche dir, ich werde bei der Geburt deines Kindes dabeisein. Schick auf jeden Fall die alte Frau, wenn es soweit ist.«
»Woher soll ich das wissen?«
Caillean lachte, aber es klang eher fürsorglich.
»Du warst doch dabei, als Mairi ihr zweites Kind bekommen hat. Was weißt du noch?«
»Ich kann mich nur noch an die Räuber erinnern und daran, wie du die Glut aus dem Feuer geholt hast«, erwiderte Eilan kleinlaut.
Caillean legte ihr begütigend den Arm um die Schulter.
»Lange wird es nicht mehr dauern. Vielleicht ist es am Fest der Jungfrau soweit… Deine Hände sind heute so unruhig. Das ist oft ein Zeichen dafür, daß das Kind sich bewegt und bereit ist, geboren zu werden. Sieh mal, ich habe ein Geschenk für dich mitgebracht… «
Caillean stand auf und holte etwas aus ihrem Lederbeutel.
»… eine Girlande aus weißen Birkenzweigen, die der Mutter heilig sind. Ich hänge sie über dein Bett, damit die Göttin dir Glück bringt.«
Eilan nickte nur stumm, als sie die Birkenzweige sah. Die Gefahren einer Geburt waren ihr sehr wohl bewußt. Sie würde die Hilfe der Göttin jetzt wahrscheinlich mehr brauchen als je zuvor.
Caillean setzte sich zu ihr und sagte aufmunternd: »Es sieht vielleicht aus, als wären dir die Götter der Männer nicht wohl gesonnen, aber die Göttin sorgt für alle Frauen, die wie du eine Geburt vor sich haben. Hab keine Angst, ich werde nach dem Fest so schnell ich kann wiederkommen. Es wird natürlich nicht so schön sein, Dieda an deiner Stelle dort zu sehen… «
»Ich freue mich, aus deinem Mund zu hören, was du von mir hältst«, sagte jemand an der Tür so betont freundlich, daß
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