Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
schritt eine schlanke Frau in einem Purpurmantel über dem weißen Gewand. Unter dem dünnen Schleier glaubte er, blonde Locken zu sehen. Auf dem Kopf trug sie einen brennenden Lichterkranz. Am Ende folgten junge Druiden, die den Zug mit dem Spiel ihrer Harfen begleiteten.
    Eilan… Eilan, spürst du nicht, daß ich in deiner Nähe bin?
    »Aus der Dunkelheit des Winters komme ich… «
    Die junge Hohepriesterin begann das Ritual. Ihre dunkle, weiche Stimme tönte wie Musik. Sie klingt viel zu sehr nach Musik, dachte Gaius. Er hatte Eilans Stimme immer schön gefunden, aber sie war ohne die Resonanz einer ausgebildeten Sängerin gewesen, wie sie die Stimme dieser Frau besaß. Er drängte sich vor, um besser sehen zu können.
    » Ich bringe das Licht, und ich schenke euch den Segen.
    Jetzt naht der Frühling, bald wachsen die neuen Blätter.
    Es grünen die Zweige, und es blühen die ersten Blumen.
    Wälder und Felder schmücken sich in den Farben des Regenbogens.
    Alles Leben erwacht und huldigt der wärmenden Sonne.
    Möge sich das Vieh in Fülle vermehren und
    der Pflug die Felder zu einer reichen Ernte vorbereiten.
    Kommt zu mir, meine Kinder, und nehmt das Licht.
    Ich gebe euch mit ihm die Hoffnung auf das neue Leben… «

    Man nahm der Hohenpriesterin den Lichterkranz vom Kopf und legte ihn vor sie auf die Erde. Die vielen Flämmchen beleuchteten dabei ihr Gesicht, und Gaius sah es zum ersten Mal genauer. Von diesem Gesicht hatte er geträumt und doch… Er wußte sofort, daß es nicht Eilan war.
    Gaius hatte nie Mühe gehabt, den Unterschied zwischen Dieda und Eilan zu sehen, auch wenn der alte Ardanos die beiden immer verwechselte. Gaius erinnerte sich jetzt an die Lieder, die Dieda gesungen hatte. Dieda hatte die schöne Stimme…
    Erregt und innerlich zitternd verließ er die Menge. Hatte die alte Frau sich geirrt? War die Tochter des höchsten Druiden die neue Hohepriesterin? Aber was hatte man mit Eilan gemacht?
    »Gepriesen sei die Göttin!« riefen die Leute. »Gepriesen sei die heilige Braut!«
    Unter großem Jubel entzündeten die jungen Männer ihre Fackeln an dem Lichterkranz und zogen in einer Prozession durch die Nacht, um allen Menschen das Licht der Göttin zu bringen.
    Gaius sah aus dem Dunkel zu. Ja, die Frau dort mußte Dieda sein. Daran zweifelte er nicht mehr. Und sie würde bestimmt wissen, wo sich Eilan befand oder was aus ihr geworden war. Doch jetzt konnte und durfte er sich ihr nicht nähern.
    Ich habe Cynric das Leben gerettet. Auch Dieda weiß, was es bedeutet, auf die Liebe zu verzichten. Was auch immer die Hohepriesterin von mir denken mag, sie ist mir eine Antwort schuldig.

    Als Gaius am nächsten Tag am Tor von Vernemeton erschien, trug er wieder die Kleidung der Einheimischen. Er hatte damit gerechnet, daß man ihn abweisen würde, als er darum bat, die Hohepriesterin sprechen zu können. Aber als er die Priesterin am Tor leise fragte: »Wann fliegen Raben um Mitternacht?« sah ihn die Frau mit unbewegtem Gesicht an, drehte sich wortlos um und verschwand.
    Gaius wartete einige Zeit, aber die Priesterin kam nicht zurück. Hatte er einen Fehler gemacht? Glaubte die Frau, so wie er damals bei Cynric, der Fremde habe den Verstand verloren? Was sollte er tun? Im Schutz der Bäume abwarten, was geschehen würde?
    Gaius ging langsam zum Waldrand. Dorthin hatte Cynric ihn zu dem Treffen mit Eilan bestellt. Wenn Dieda seine Nachricht erhielt, würde sie vielleicht dorthin kommen…
    Sein Herz schlug schneller, als er unter den Bäumen eine Gestalt im dunkelblauen Gewand sah.
    »Caillean!« rief er erstaunt, als die Frau sich umdrehte und den Schleier hob. »Ich muß mit dir sprechen! Im Namen der Barmherzigkeit, sag mir, wo ist Eilan?«
    Er spürte den durchdringenden Blick der alten Priesterin auf sich ruhen. Sie nickte stumm und bedeutete ihm mit einer Geste, ihr zu folgen.
    Die Priesterin verließ den Weg und lief schweigend einen schmalen Pfad entlang, der tiefer in den Wald führte. Gaius hielt sich dicht hinter ihr, aber erst als sie die kleine Lichtung erreichten, wo er Eilan das erste Mal getroffen hatte, blieb sie stehen.
    Seine Stimme klang heiser, als er sagte: »Caillean, ich weiß, daß Eilan dir vertraut hat. Im Namen der Göttin, der du dich geweiht hast, sag mir, wo sie ist. Sag mir, ob sie lebt und ob sie gesund ist… «
    In ihrem Blick lagen Staunen, Zorn und auch Furcht.
    »Ich hätte die Wächter rufen lassen und ihnen sagen sollen, wer du bist«, antwortete sie

Weitere Kostenlose Bücher