Die Wälder von Albion
höhnischen Bemerkung hinreißen.
»Du hast mir einmal das Leben gerettet. Jetzt schenke ich dir das Leben. Und beim Hades, du kannst dir deinen verfluchten Stolz sparen! Ergib dich jetzt. Dann kannst du bei einer anderen Gelegenheit noch einmal gegen mich kämpfen.«
Gaius wußte, er handelte leichtsinnig. Cynric war und blieb gefährlich. Aber wenn er ihn verschonte, dann tat er es für Eilan.
»Ihr… habt… gesiegt… « Cynric drehte den Kopf erschöpft zur Seite. Gaius sah, daß er an Armen und Beinen aus vielen Wunden blutete. »Heute… « Ihre Blicke trafen sich, und Gaius sah den glühenden Haß in Cynrics Augen. »Aber eines Tages werdet ihr dafür bezahlen… «
Cynric verstummte, und der Wagen, der die Verwundeten einsammelte, kam rumpelnd näher.
Gaius meldete die Geiselnahme und beaufsichtigte, wie man Cynric zu den anderen auf den Wagen legte. Die Freude über den Sieg schwand, als er einsah, daß er seinen Freund für immer verloren hatte - als wäre Cynric vor seinen Augen gestorben.
Bei Einbruch der Dunkelheit ließ Agricola die Verfolgung einstellen. Er wollte in dem unbekannten Gelände nicht das Leben seiner Soldaten aufs Spiel setzen.
Die ganze Nacht hindurch hörten die Römer die Rufe der Frauen, die das Schlachtfeld nach ihren Männern absuchten. Aber erst im Verlauf der nächsten Tage wurde das ganze Ausmaß der Tragödie der Stämme bekannt. Das Land, in dem ein glückliches Volk gelebt hatte, war von einem Tag zum anderen zu einem Totenreich geworden. Die Leichen der Frauen und Kinder, die von den Überlebenden getötet worden waren, damit sie den Römern nicht als Sklaven in die Hände fielen, starrten blicklos in den Himmel. Der dunkle Rauch der verbrannten Häuser zog nur langsam mit den grauen Wolken davon.
Als die Zahlen schließlich feststanden, errechnete man etwa zehntausend Tote und Verwundete beim Feind. Die Römer dagegen hatten nur dreihundertsechzig Tote, aber viele Verwundete zu beklagen.
Als Gaius an den langen Reihen der Männer vorbeiritt, die nach Süden marschierten, dachte er an die Worte von Calgacus: »Sie erheben ohne Berechtigung Anspruch auf unser Land. Sie kommen, um zu plündern und um zu töten. Was sie auf diese Weise an sich reißen, machen sie zu ihrem Reich. Wenn sie eine ausgeblutete Wildnis und nur Tote hinterlassen, nennen sie das Frieden.«
Ja, der Norden war befriedet. Die letzten Hoffnungen auf die Freiheit der Stämme waren erloschen wie das Leben der Männer, die dafür gekämpft hatten.
Es war eine bittere Einsicht, aber Gaius wußte, mehr als die Depeschen, die er bei sich trug, und die auch eine sehr lobende Erwähnung seines Verhaltens in der Schlacht enthielten, zwang ihn die endgültige Niederlage der Stämme, nun ein richtiger Römer zu werden.
19. Kapitel
Agricolas Hoffnungen erfüllten sich nicht ganz. Die Befriedung des Nordens ließ sich nicht einfach mit einer gewonnenen Schlacht zum Abschluß bringen. Die Menschen in Rom tanzten zwar auf den Straßen, als der Sieg am Mons Graupius bekanntgegeben wurde, aber es mußte noch viel getan werden, um den Frieden zu sichern.
Unter den Depeschen, mit denen Gaius nach Süden ritt, befand sich auch ein Befehl, in den Norden zurückzukehren, sobald seine Wunden verheilt waren. Nachdem Agricola ihn kennengelernt hatte, wollte er einen so fähigen Offizier nicht in Londinium herumsitzen lassen. Das bedeutete jedoch auch, daß Gaius keine Zeit fand zu heiraten.
Zu seinen Aufgaben gehörte es, das Lager zu besuchen, wo sie die wichtigen Gefangenen untergebracht hatten. Dort fand er auch Cynric. Seine Wunden verheilten zwar langsam, aber er haderte mit dem Schicksal und freute sich nur darüber, daß es den Römern trotz aller Anstrengungen nicht gelungen war, Calgacus gefangenzunehmen, um Agricolas Sieg zu krönen, wenn er nach Rom zurückkehrte. Keiner schien zu wissen, was mit dem Anführer der Stämme geschehen war. Aber es gab Gerüchte, nach denen sich der Druide Bendeigid noch immer in den Bergen versteckt hielt.
»Ich bin im Kampf überwältigt worden und erwarte keine Gnade«, sagte Cynric zu Gaius. »Aber wenn dein Feldherr etwas von dir hält, dann bitte ihn, den alten Mann zu begnadigen. Ich habe dich aus der Falle geholt, aber er hat dir das Leben gerettet. Ich glaube, dafür bist du ihm etwas schuldig.«
Gaius stimmte ihm zu. Er schuldete Bendeigid mehr, als Cynric ahnen konnte. Deshalb setzte er sich bei Agricola für den Druiden ein. Da es keinen Beweis dafür gab, daß
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