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Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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seiner Meinung. Er war als Römer aufgewachsen und fühlte sich noch immer in Uniform oder in der Tunika und der karierten Hose der Stämme am wohlsten.
    Er setzte sich mit einem tiefen Seufzer auf und musterte die Toga angewidert. Sein Vater, der am Tag zuvor aus Deva eingetroffen war, schlief in demselben Zimmer. Macellius gähnte und öffnete ein Auge.
    »Ich finde«, schimpfte Gaius, »sie sollten etwas Besseres für formelle Anlässe erfinden… oder wenigstens etwas, das angenehmer zu tragen ist.«
    »Eine Toga ist mehr als ein Kleidungsstück«, sagte Macellius, »sie ist ein Symbol… «
    Und schon saß er aufrecht im Bett, und zum Schrecken seines Sohnes, der morgens nie gesprächig war, begann er, ihm einen Vortrag über die Geschichte der ehrwürdigen Toga zu halten.
    Aber Gaius hörte ihm, wenn auch widerwillig, zu und verstand plötzlich etwas. Sogar hier - oder gerade hier - am Rande des römischen Reiches unterschied das Recht, die weiße Toga eines römischen Bürgers zu tragen, die Herren der Welt von denen, die sie besiegt hatten. Der schmale purpurrote Streifen der Eques auf seiner Tunika war darüber hinaus eine Auszeichnung, die er sich ehrlich erkämpft hatte. Für Menschen wie seinen Vater war das alles von größter Bedeutung, und die Bequemlichkeit der Kleidung selbstverständlich Nebensache.
    Gaius hätte das widerliche Ding zwar am liebsten aus dem Fenster geworfen, doch es gehörte zu den Dingen, die er akzeptiert hatte, als er sich entschloß, sein Leben mit Rom zu verbinden. Immerhin war die Toga aus Wolle und die Tunika ebenfalls, die er darunter tragen würde. Der Wind im April war noch sehr kalt, und es konnte jederzeit anfangen zu regnen. Er würde wenigstens nicht frieren müssen. Vermutlich sollte er dankbar dafür sein, daß er nicht im Winter heiratete.
    Seufzend ließ er sich von seinem Diener baden und rasieren. Dann zog er die Tunika und die Sandalen an. Der Augenblick war gekommen, und er mußte sich überlegen, wie er das Ding drapieren sollte.
    Nach ein paar erfolglosen Versuchen nahm ihm sein Vater mit unbewegtem Gesicht - Gaius wußte, er unterdrückte ein Grinsen - die Toga aus der Hand. Geschickt ordnete er den weißen Wollstoff so, daß er vorne in Falten von der linken Schulter herabhing, zog ihn hinten quer über dem Rücken und dem rechten Arm hindurch. Dann verteilte er den Rest ordentlich über der Brust und in Gegenrichtung über die linke Schulter, so daß die Falten lässig über seinen Arm fielen.
    »Na bitte… «, er trat zurück und bewunderte seinen Sohn. »Wenn du dich noch etwas gerader hältst, könntest du für eine Statue Modell stehen.«
    »Ich komme mir wie eine Statue vor… «, murmelte Gaius und wagte kaum, sich zu bewegen, da er das Gefühl hatte, im nächsten Augenblick würde ihm das ganze Gebilde vom Leib fallen. Jetzt mußte sein Vater lachen.
    »Mach dir nichts daraus. Es ist völlig normal, daß ein Bräutigam nervös ist. Ich verspreche dir, wenn alles vorbei ist, geht es dir wieder besser.«
    »Warst du unsicher«, fragte Gaius plötzlich, »als du meine Mutter geheiratet hast?«
    Macellius blieb stehen und schloß in schmerzlicher Erinnerung die Augen. »Ich war glücklich… «, flüsterte er, »als sie zu mir kam. Und das Glück hörte nicht auf, bis sie viel zu früh starb… «
    Ich war glücklich, als Eilan in meinen Armen lag. Warum nur habe ich mich zu diesem Theater bereitgefunden? Ich weiß, jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als meine Rolle zu spielen…

    Der Anblick des Haruspex, der erschienen war, um aus den Eingeweiden der Opfertiere die Zeichen der Götter für die Ehe zu deuten, verbesserte seine Stimmung auch nicht. In der hellen Mittagssonne sah der Mann mit dem roten kahlen Schädel und den langen dürren Beinen ebenso abstoßend aus wie seine geschlachteten Hühner. In seiner Bitterkeit dachte Gaius, was immer der Haruspex in den Därmen der armen Tiere auch finden mochte, würde bestimmt einen günstigen Tag verheißen. Schließlich wäre es mehr als unangebracht, die Hochzeit abzusagen, wenn alle Würdenträger Londiniums sich bereits im Atrium versammelt hatten und wie Gaius dem Mann zusahen. Außerdem hatten die Auguren schon vor Wochen erklärt, es sei der richtige Tag, und sie würden sich wohl kaum widersprechen.
    Im Atrium drängten sich entsetzlich viele Menschen. Gaius kannte nur ein paar der Gesichter, darunter auch zwei faltige alte Witwen mit rot geschminkten Apfelwangen. Sie waren in den letzten

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