Die Wälder von Albion
Monaten öfter hier im Haus erschienen. Gaius stellte fest, daß die beiden tatsächlich auch lächeln konnten - zum ersten Mal, seit er sie gesehen hatte. Zwar lächelten sie ihn nicht direkt an, aber zumindest in seine Richtung. Vielleicht freuten sie sich für Julia.
Sie ahnen nicht, daß Julia einen Mann bekommt, der eine andere Frau liebt, die ihm bereits einen Sohn geschenkt hat. Soll ich es ihnen allen sagen? Dann werden wir ja sehen, ob noch jemand lächelt…
Es überraschte ihn nicht, als der Haruspex mit Fistelstimme erklärte, es sei ein sehr günstiger Tag für die Hochzeit, und dem Brautpaar gratulierte.
Ein Tag, für den Julia sich entschieden hat, kann es nicht wagen, ungünstig zu sein…
Die Menge unterhielt sich leise, als die Reste des Opfers abgeräumt wurden und die Braut am Arm ihres Vaters erschien. Gaius sah nur den Saum ihrer weißen Tunika unter dem berühmten flammendroten Schleier.
Ein Sekretär des Licinius entrollte umständlich den Ehevertrag und begann, ihn näselnd vorzulesen. Auf die meisten Punkte hatten sie sich bereits bei der Verlobungszeremonie geeinigt: die Höhe der Coemptio , die Gaius anbot, und die Summe, die Julia in die Ehe einbrachte, der Punkt, daß sie »in den Händen« ihres Vaters blieb als legaler Teil der Familie. Außerdem blieb sie im Besitz ihres Eigentums.
Man hatte Gaius erklärt, das sei inzwischen die übliche Form, und niemand würde deshalb auf ihn herabsehen. Es gab auch eine Klausel, daß er sich nur dann von Julia scheiden lassen konnte, wenn auf ihrer Seite »Ehebruch« vorlag, der mindestens von zwei ehrenwerten Matronen bezeugt werden mußte. Gaius hätte am liebsten laut gelacht, wenn ihn inzwischen noch etwas hätte zum Lachen bringen können. Alles würde er der tugendhaften und nur auf ihren Ruf bedachten Julia zutrauen, nur das nicht.
»Gaius Macellius Severus Siluricus, stimmst du den Bedingungen dieses Vertrages zu und willst du diese Frau als deine Ehefrau anerkennen, wie es das Gesetz vorschreibt?« fragte ihn danach sein Vater.
Gaius stellte fest, daß alle ihn erwartungsvoll ansahen. Trotzdem dauerte es sehr lange, bis er die Worte endlich über die Lippen brachte: »Ich will es… «
»Julia Licinia… «
Licinius stellte seiner Tochter dieselbe Frage. Ihre Antwort kam sehr viel schneller. Der Sekretär reichte beiden das Dokument zur Unterschrift und brachte es dann zur Registrierung in die Archive.
Gaius hatte das Gefühl, daß der Mann seine Freiheit davontrug, aber der römische Ernst, der zur Toga gehörte, verlangte von ihm wenigstens kein Lächeln.
Eine Frau mit einem freundlichen Gesicht - man hatte ihm gesagt, es sei die Tochter Agricolas - trat vor, nahm Julia bei der Hand und führte sie zu Gaius. Ihn durchzuckten Gewissensbisse, als sich die kleinen, schlanken Finger vertrauensvoll in seine Hand legten.
Dann kamen die Gebete - und sie schienen kein Ende zu nehmen. Man betete zu Juno und Jupiter, Vesta und offenbar jeder Gottheit, die etwas mit dem Wohl von Heim und Herd und Familie zu tun hatte. Er wußte nicht, daß es überhaupt so viele Götter gab. Von einigen hatte er noch nie etwas gehört und wollte es auch nicht.
Dann reichte man ihm und Julia eine Schale mit Getreide und einen Krug Öl für den Altar. Als die Flammen die Opfergaben verbrannten, drang aus dem Speisezimmer neben dem Atrium der Geruch von angerichtetem Essen. Er verband sich mit dem süßlichen Duft des Weihrauchs, der noch in der Luft hing, und Gaius wurde davon beinahe übel.
Gaius wußte, jetzt begann bald das eigentliche Fest. Julia schob den Schleier aus dem Gesicht, und er griff nach dem Brot aus grob gemahlenem Dinkel - er hoffte, es werde auf dem Fest etwas Besseres zu essen geben -, brach es und schob Julia ein Stück zwischen die Lippen. Sie wiederholte das alte Ritual und sprach dann die Worte, mit denen sie vor dem Gesetz zu einem Ehepaar wurden.
Die Hochzeit hatte mittlerweile ein von Tradition und Reichtum bestimmtes Eigenleben erlangt. Unter der Anleitung eines aufgeblasenen Zeremonienmeisters war das Fest in vollem Gange, und von Gaius wurde kaum noch etwas verlangt. Er mußte nur alles geduldig mitmachen, ein glückliches Gesicht zur Schau tragen, und dann war das Ende der Feier bald in Sicht.
Selbst wenn sein Herz blutete und er sich in seinem Innersten immer noch gegen diese Hochzeit auflehnte, kam es darauf jetzt nicht mehr an - Julia, die beiden Väter und die ehrenwerte römische Gesellschaft der Hauptstadt gaben
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