Die Wälder von Albion
an.
»Die Römer haben uns das Land weggenommen und mit ihnen unsere Anführer. Die meisten Rituale und Bräuche sind inzwischen verboten. Das Orakel von Vernemeton gehört zu den wenigen Dingen, die uns geblieben sind. Wenn du nicht weißt, daß die Worte der Göttin von einem Ende der Wälder Albions bis zum anderen wiederholt werden, dann bist du taub und blind!«
Er weiß nicht, daß Ardanos das Orakel beeinflußt… . aber er ist mißtrauisch geworden und ahnt etwas.
Solange Eilan Unwissenheit vorgab, konnte er sie nicht direkt um eine Einmischung bitten. Aber die Lage würde sich weiter zuspitzen, und wenn sie als Hohepriesterin nicht wußte, was im Land geschah, dann wäre sie wirklich taub und blind.
»Ich habe bisher in größter Zurückgezogenheit gelebt… «, sagte sie leise, »aber Pilger kommen zu uns und beten an der heiligen Quelle. Mögen alle, die Nachrichten haben, in jedem Monat nach dem neuen Mond das heilige Wasser trinken. Wenn die verschleierte Priesterin dort erscheint und von den Raben spricht, dann sollen sie ihr alles sagen, was sie auf dem Herzen haben.«
»Ah, du bist wirklich meine Tochter! Ich wußte, du würdest dein Volk nicht verraten!« rief er mit funkelnden Augen. »Ich werde Cynric sagen… «
»Sag ihm, daß ich nichts versprechen kann«, unterbrach sie ihn, »aber wenn du möchtest, daß ich die Göttin um IHRE Hilfe bitte, muß ich wissen, worum ich bitten soll! Ich kann dir allerdings nicht versprechen, wie SIE antworten wird… «
Damit mußte sich Bendeigid zufriedengeben. Nachdem er gegangen war, blieb Eilan noch lange in Gedanken versunken sitzen. Ihr Vater hatte sie in aller Deutlichkeit wissen lassen, daß Cynric alles tat, um einen neuen Aufstand zu schüren. Wenn die Hohepriesterin des Orakels ihn nicht unterstützte, dann würde er jedoch sein Ziel nicht erreichen.
Aber Bendeigid hatte offenbar auch erkannt, daß Eilan inzwischen eine erwachsende Frau war und ihre Entscheidungen selbst traf. Alles Leid der letzten Jahre hatte sich schon gelohnt, weil sie ihm nun in dieser Machtstellung entgegentreten konnte. Aber die Macht brachte Verantwortung mit sich. Sie konnte sich Unwissenheit nicht länger leisten. Es mochte ein Tag kommen, an dem ihr Vater und Cynric noch einmal dem Vater ihres Sohnes auf dem Schlachtfeld gegenüberstanden.
Wenn das geschieht, wen werde ich dann unterstützen?
Eilan schloß traurig die Augen.
O Göttin, was soll ich nur tun?
Julias Tochter überlebte die vorzeitige Geburt und blieb gesund. Alle gewöhnten sich an, sie »Cella« zu nennen, denn es schien einfach lächerlich, daß ein so winziges Geschöpf einen so langen Namen haben sollte.
Gaius wartete vergeblich auf die Verbundenheit, die er sofort empfunden hatte, als er den kleinen Gawen in den Armen hielt. Ereignete sich dieses Mysterium für den Vater nur bei dem erstgeborenen Sohn? Oder lag es daran, daß Gaius zu der Mutter des Kindes keine echte Beziehung hatte?
Julia jedenfalls fand es nicht merkwürdig, daß er sich so wenig für seine Tochter interessierte. Cella war ein friedliches Kind, das allem Anschein nach bald bezaubernd aussehen würde. Ihr Großvater war in sie vernarrt, und Julia umsorgte ihre Tochter mit rührender Hingabe und widmete ihr viel Zeit. Sie kleidete das Kind in immer neue, wunderschön bestickte Kleidchen, so daß es aussah wie eine Puppe. Gaius hielt das für lächerlich und reine Zeitverschwendung, aber er sagte nichts. An Cellas erstem Geburtstag war Julia wieder schwanger. Diesmal zweifelte sie nicht daran, daß es der lang ersehnte Sohn sein würde.
Gaius ging auf Julias Drängen zu einer Wahrsagerin, die ihm versicherte, daß er einen Sohn bekommen werde. Gaius teilte die Überzeugung der beiden Frauen nicht, aber er schwieg.
Diesmal mußte er jedoch nicht mit Julia die lange Zeit der Schwangerschaft durchleiden. Die Kriege in Dakien brachten den Römern nicht die erwarteten Erfolge. Als Gaius erfuhr, daß die Zweite Legion abgezogen und die Festung im Norden zerstört werden sollte, traf es ihn wie ein Schlag. Wie nicht anders zu erwarten, hatte sich herausgestellt, daß der Norden für die Römer ohne sehr viel mehr Soldaten und Material nicht zu halten war. Den Aufwand konnte und wollte sich das römische Reich nach dem Willen des Kaisers nicht leisten.
So viele Menschenleben wären gerettet worden, wenn die Verantwortlichen das bereits vor drei Jahren gesehen hätten. Und bei all ihrer Vernunft hätten sie es sehen können!
In
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