Die Wälder von Albion
seiner freien Zeit ging Gaius oft ins Hauptquartier, um auf dem laufenden zu bleiben. Der Kaiser hatte dem neuen Statthalter, Sallustius Lucullus, den Befehl erteilt, alle Festungen im Norden zu räumen. Die Mauern sollten geschleift und die Holzgebäude verbrannt werden, damit dem Feind nichts Nützliches in die Hände fiel. Die Zwanzigste Legion verließ ebenfalls den Norden und bezog wieder die alten Quartiere in Glevum. Aber niemand wußte, ob sie dort bleiben würde.
Schließlich erhielt jedoch die Zweite Legion den Marschbefehl nach Dakien. Macellius erklärte, er sei zu alt, um noch einmal durch das ganze Reich zu marschieren, und beschloß, es sei an der Zeit, in den verdienten Ruhestand zu treten. Er wollte sich ein Haus in Deva bauen.
Der neue Legat der Zweiten Legion forderte Gaius zu seiner Überraschung jedoch auf, sich ihm anzuschließen. Erfreulicherweise hatte sogar Licinius keine Einwände, als Gaius ihm den Wunsch vortrug, das Angebot anzunehmen.
»Du wirst uns fehlen, mein Junge«, sagte der alte Mann, »aber es ist Zeit, daß wir an deine Laufbahn denken, denn du hast jetzt eine Familie.« Er lächelte und fügte seufzend hinzu: »Schließlich habe ich aus diesem Grund in ganz Londinium dein Lob gesungen… Es ist nur schade, daß du bei der Geburt deines zweiten Kindes nicht hier sein wirst. Aber das war nicht anders zu erwarten. Mach dir keine Sorgen um Julia… . ich kümmere mich um sie. Erfülle du deine Pflichten und komme ruhmbedeckt zu uns zurück!«
22. Kapitel
Dieda erschien Mitte Mai wieder in Vernemeton. Etwas mehr als vier Jahre waren vergangen, seit sie ins Exil nach Eriu verschwunden war. Endlich schien wieder die Sonne, und Eilan wollte Dieda im Garten begrüßen. Sie hoffte, die Wiederbegegnung sei einfacher in der weniger förmlichen Umgebung. Aber sie bat für alle Fälle Caillean, bei ihr zu bleiben.
Als Dieda durch das Tor kam, richtete sich Eilan auf und ließ den Schleier auf die Schulter fallen. Caillean eilte Dieda entgegen, um sie zu begrüßen.
»Dieda, mein Kind, es ist schön, dich nach so langer Zeit wiederzusehen… «
Sie umarmten sich förmlich und drückten Wange an Wange.
Dieda trug ein langes, kunstvoll besticktes Kleid aus weißem Leinen im irischen Stil und darüber den himmelblauen Umhang der Sängerin mit dem goldenen Saum und einer goldenen Spange. Ein besticktes Band hielt die Haare zusammen, die ihr in blonden Locken über den Rücken fielen. Trotz der festlichen Kleidung wirkte sie auf Eilan angespannt.
»Ah, ich hatte den Frieden hier ganz vergessen… «, sagte Dieda und blickte bewundernd auf das helle Grün der Minze, den silbernen Glanz des Lavendels und auf die Bienen, die die violetten Blüten umschwirrten und in der warmen Sonne summten.
»Vermutlich wird es dir hier bei uns sehr ruhig vorkommen, nach dem Leben bei den Königen und Fürsten von Eriu… «, sagte Eilan, um das Schweigen zu brechen.
»O ja, es ist ein schönes Land mit einem Herz für Sänger und Dichter und für alle, die Musik machen.«
Sie schwieg und sagte dann leise: »Aber nach einer Weile bekommt man doch Sehnsucht nach dem eigenen Land.«
»Mein Kind, ich höre bereits an deiner Aussprache den Klang von Eriu«, sagte Caillean, »und ich freue mich schon auf die Musik!«
Niemand, der uns reden hört, wird uns noch verwechseln können!
Eilan atmete erleichtert auf. Der Unterschied lag jedoch nicht nur in der Aussprache, sondern auch im Timbre der Stimme. Dieda hatte schon immer eine schöne Stimme gehabt, aber jetzt setzte sie die Stimme wie ein kostbares Instrument ein. Selbst verletzende Worte, auf diese Weise ausgesprochen, konnte man leichter verzeihen.
»Ich hatte Zeit genug, das alles zu erlernen«, sagte Dieda und blickte auf Eilan. »Ein halbes Leben scheint in meiner Abwesenheit vergangen zu sein… «
Eilan nickte. Sie fühlte sich um hundert Jahre älter. Nichts war von dem jungen Mädchen geblieben, das Lhiannon vor vier Jahren zu ihrer Nachfolgerin bestimmt hatte. Aber Dieda verzog unzufrieden den Mund. Hatte sie das Täuschungsmanöver von damals noch immer nicht verwunden? Würde sie Eilan vorwerfen, daß man sie einfach weggeschickt hatte?
»Es war lange genug, daß mehr als ein halbes Dutzend Novizinnen zu uns gekommen ist«, erwiderte sie ruhig, »eine vielversprechende Gruppe… Ich glaube, die meisten werden das Gelübde ablegen.«
Dieda sah sie an. »Was hast du mit mir vor? Was soll ich tun?«
»Unterrichte diese jungen Frauen. Zeige
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