Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
beide heute alles riskieren. Deshalb werde ich den Trank diesmal nach dem alten Rezept zubereiten. Wenn die Göttin erscheint, dann mußt du SIE nach deinem Traum fragen. Alle werden IHRE Antwort hören! Du, Ardanos und ich… wir werden IHR gehorchen müssen, was immer SIE befiehlt.«

    Das Licht hatte sich bereits völlig verändert, als noch vor Sonnenuntergang das Tor von Vernemeton geöffnet wurde, um Ardanos und seine Priester einzulassen.
    Der höchste Druide stieß seinen Stab dreimal auf den Boden, und er rief mit tiefer Stimme: »Wir sind bereit und bitten dich, Stimme der Göttin, uns zu folgen.«
    Eilan stand auf. Sie hatte in langer Meditation gewartet und alle Gedanken aus ihrem Bewußtsein verbannt. Eilid und Caillean legten ihr den schweren rituellen Umhang um die Schultern und befestigten ihn mit der goldenen Kette am Hals.
    Es war trotz der Sonne tagsüber eine kalte Nacht. Eilan fröstelte, als sie die Sänfte bestieg. Der Zug der Druiden, deren Gewänder gespenstisch schimmerten, setzte sich langsam in Bewegung. Ihnen folgten die Priesterinnen wie eine Schar dunkler Schatten.
    Sie sind alle da, um mich zu beschützen. Aber ich komme mir vor wie eine Gefangene auf dem Weg zur Hinrichtung.
    Der Gedanke tauchte in ihrem Bewußtsein auf und verschwand so schnell wieder wie ein Kaninchen auf der Flucht vor dem Falken.
    Alle Priesterinnen und Priester sind die Gefangenen ihrer Götter…
    Eilan nahm nur schemenhaft die breite Allee mit den hohen Bäumen wahr, die zur Hügelkuppe hinaufführte. Die beiden Feuer loderten hell. Schatten und Licht zuckten als unruhige Muster über das Laub der alten Eichen um den großen Platz. Das Geräusch der wartenden Menge klang wie ein langer Seufzer. Eilan würde nie vergessen, wie sie dort mit den Menschen zum ersten Mal auf die Hohepriesterin gewartet hatte - jetzt nahm sie Lhiannons Platz ein, und die vielen Augen, die erwartungsvoll auf sie gerichtet waren, verstanden so wenig von dem, was wirklich geschah, wie sie als Kind damals verstanden hatte.
    Zwei Novizinnen, die Eilan wegen ihrer Reinheit und Schönheit mit dieser Aufgabe betraut hatte, traten in ihren ungefärbten Gewändern mit der goldenen Schale vor. Die beiden zehnjährigen Mädchen trugen goldene Torques um den Hals und mit Goldfäden durchwirkte Gürtel um die schlanke Taille. Auf ein kaum wahrnehmbares Zeichen von Caillean ließ der junge Priester, der verborgen in den Ästen der alten Eiche saß, einen Mistelzweig fallen. Im silbernen Mondlicht wirkte er wie ein kleiner heller Vogel. Eilan fing den Zweig auf und legte ihn mit einem gemurmelten Segensspruch in die Schale.
    Dann schlug sie das rituelle Zeichen darüber, wappnete sich gegen die Bitterkeit und leerte die Schale.
    Die Druiden begannen mit der Anrufung. Der Druck der Erwartung in der Menge stieg und legte sich wie ein schweres Gewicht auf ihr Bewußtsein. Der Trank brannte in ihrem Leib. Hatte sie beim Mischen einen Fehler begangen? Aber sie erinnerte sich an das Gefühl aus der Zeit, als sie die Zusammensetzung des Tranks noch nicht geändert hatte. Wie auch immer, das Gift schien jedesmal etwas mehr an ihr zu zehren. Auch das gehörte zu dem Preis, den sie zu bezahlen hatte. Sie würde wie Lhiannon sterben, aber vielleicht nicht so früh.
    Die Welt um sie herum wich bereits zurück. Eilan registrierte kaum noch, daß sie auf den hohen Stuhl der Seherin sank. Dann trug man sie den Erdhügel hinauf.

    Caillean beobachtete die Hohepriesterin, die zusammengesunken auf dem hohen Sitz saß, mit größerer Sorge als üblich. Die Kraft der Gesänge versetzte sie wie immer in Trance, aber noch wehrte sie sich dagegen. In den pulsierenden Schwingungen auf dem Platz spürte sie eine ungewöhnliche Spannung, die sie nicht verstand. Entschlossen drehte sie sich um und entdeckte Eilans Vater unter den weißgewandeten Druiden. Ardanos hatte nichts davon erwähnt, aber vielleicht wußte er nicht, daß Bendeigid bei dem Ritual anwesend sein würde.
    Eilan begann zu zucken, und Caillean nahm schnell ihren Platz hinter dem Sitz der Hohenpriesterin ein. Es war verboten, die Stimme des Orakels während der Trance zu berühren, aber sie mußte sich bereithalten, um Eilan aufzufangen, wenn sie fiel.
    Göttin! Nimm DU DICH ihrer an. Ich bin bereit, alles zu ertragen, was sein muß.
    Eilan schien etwas ruhiger zu werden. Undeutlich sah Caillean eine weiße Hand schlaff über der Armlehne hängen - sie war so schlank und zart wie die eines Kindes. Wie konnte

Weitere Kostenlose Bücher