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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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Fürstentümer zu bewahren, welche der sardinische Räuberhauptmann samt seinem französischen Henkersbeistand auch gern überfallen wollte. Gegen Modena, Toskana – wo, wie du weißt, mit unserem Kaiserhaus verwandte Dynastien regieren – ja sogar gegen Rom, gegen den Papst wollen sie ziehen – die Vandalen. Wenn wir nun vorläufig die Lombardei hergeben, so erhalten wir uns damit Venetien und können die süditalienischen Staaten und dem heiligen Stuhl unsere Stütze gewähren. Du siehst also ein, daß wir aus rein politischen Gründen und im Interesse des europäischen Gleichgewichts –«
    »Ja, Vater,« unterbrach ich, »ich sehe es ein. Ach hätten diese Gründe doch schon vor Magenta gewaltet!« fügte ich bitter seufzend hinzu. Dann, um abzulenken, zeigte ich auf ein Bücherpaket, das heute aus Wien eingetroffen war.
    »Schau' her: der Buchhändler schickt uns verschiedene Sachen zur Ansicht. Darunter ein eben erschienenes Werk eines englischen Naturforschers, eines gewissen Darwin: The Origin of Species – und er macht uns aufmerksam, daß dies besonders interessant sei und geeignet, epochemachend zu wirken.«
    »Er soll mich auslassen, der gute Mann. Wer soll sich in einer so wichtigen Zeit, wie die gegenwärtige, für derlei Lappalien interessieren? Was kann denn in einem Buch über Tier- und Pflanzenarten Epochemachendes für uns Menschen enthalten sein? Ja, die Konföderation der italienischen Staaten, die Hegemonie Österreichs im deutschen Bunde: das sind weittragende Dinge; die werden noch lange in der Geschichte bestehen, wenn von diesem englischen Buch kein Mensch mehr etwas wissen wird. Merk dir das.« Ich habe es mir gemerkt.

Zweites Buch.
Friedenszeit.
    Vier Jahre später. Meine beiden – nunmehr siebzehn- und achtzehnjährigen Schwestern – sollten bei Hofe vorgestellt werden. Aus diesem Anlaß entschloß auch ich mich, wieder »in die Welt« zu gehen.
    Die verstrichene Zeit hatte ihr Werk getan und meinen Schmerz allmählich gelindert. Die Verzweiflung wandelte sich in Trauer, die Trauer in Wehmut, die Wehmut in Gleichgültigkeit und diese endlich in erneute Lebensfreudigkeit. Ich erwachte eines schönen Morgens zum Bewußtsein, daß ich eigentlich in einer beneidenswerten, glücksverheißenden Lage mich befand: dreiundzwanzig Jahre alt, schön, reich, hochgestellt, frei, Mutter eines allerliebsten Knaben, Glied einer liebenden Familie – waren das nicht Bedingungen genug, um des Lebens froh zu werden?
    Das kurze Jahr meines Ehelebens lag hinter mir wie ein Traum. Ja – ich war in meinen schönen Husaren sterblich verliebt gewesen; ja – mein zärtlicher Mann hatte mich sehr glücklich gemacht! ja – die Trennung hatte mir großen Kummer, sein Verlust wilden Schmerz bereitet – aber das war vorbei, vorbei. So innig mit meinem ganzen Seelenleben verwachsen, daß ich eine Zerreißung nicht hätte überleben, nicht verschmerzen können, war ja meine Liebe nicht gewesen: dazu hatte unser Zusammensein zu kurz gedauert. Wir hatten uns angebetet, wie ein paar feurige Verliebte; aber Herz in Herz, Geist in Geist aufgegangen, in gegenseitiger Hochachtung und Freundschaft fest verbunden, wie dies manche Eheleute nach langen Jahren geteilter Leiden und Freuden sind – das waren wir beide nicht gewesen. Auch ich war ja sein Höchstes, sein Unentbehrlichstes nicht; wäre er sonst so frohgemut und ohne zwingende Pflicht – sein Regiment hat niemals ausrücken müssen – fort von mir? Zudem war ich in den vier Jahren allmählich eine andere geworden; mein geistiger Gesichtskreis hatte sich in vielem erweitert; ich war in den Besitz von Kenntnissen und Anschauungen gelangt, von welchen ich zur Zeit meiner Verheiratung keine Ahnung gehabt und von welchen auch Arno – das wußte ich jetzt zu beurteilen – sich keinen Begriff gemacht und so hätte er meinem jetzigen Seelenleben – wäre er auferstanden – in mancher Richtung fremd gegenüber gestanden.
    Wieso diese Wandlung mit mir geschehen? Das ist so gekommen:
    Ein Jahr meiner Witwenschaft war verstrichen, die Verzweiflung – erste Phase – in Trauer übergegangen. Aber noch in eine sehr tiefe, blutende Trauer. Von einer Wiederanknüpfung geselliger Verbindungen, wollte ich durchaus nichts wissen. Ich meinte, fortan müsse mein Leben nur noch mit der Erziehung meines Sohnes Rudolf ausgefüllt sein.
    Nie mehr nannte ich das Kind »Ruru« oder »Korporal«; die Babyspielereien des verliebten Elternpaares waren dahin; der Kleine war mein

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