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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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ihres Vernichtung speienden Amtes walten, so werden beiderseitig die vorderen Reihen schnell weggefegt. Das ist ja eine wunderschöne Einrichtung. Aber noch besser wird es sein, wenn einst die Schießtechnik so weit vorgeschritten ist, daß jede Armee ein Geschoß abfeuern kann, welches die ganze feindliche Armee mit einem Schlag zertrümmert. Vielleicht würde so das Kriegführen überhaupt unterbleiben. Der Gewalt könnte dann – wenn zwischen zwei Streitenden die Allgewalt eine gleich große wäre – nicht mehr die Rechtsentscheidung überantwortet werden.
    Warum schreibe ich Dir dies alles? Warum breche ich nicht, wie es einem Kriegsmanne ziemt, in begeisterte Lobeshymnen auf das Kriegshandwerk aus? Warum? Weil ich nach Wahrheit – und nach rückhaltsloser Äußerung derselben – dürste; weil ich jederzeit die lügenhafte Phrase hasse – in diesem Augenblick aber – wo ich dem Tode so nahe bin und wo ich zu Dir spreche, die Du vielleicht auch im Sterben liegst – es mich doppelt drängt, zu sprechen, wie es mir ums Herz ist. Mögen tausend andere auch anders denken, oder doch anders zu sprechen sich verpflichtet dünken, ich will, ich muß es noch einmal gesagt haben, eh' ich dem Krieg zum Opfer falle: ich hasse den Krieg. Würde nur jeder, der das gleiche fühlt, es laut zu verkünden wagen – welch ein dröhnender Protest schrie da zum Himmel auf! Alles jetzt erschallende Hurra samt dem begleitenden Kanonendonner würde dann durch den Schlachtruf der nach Menschlichkeit lechzenden Menschheit übertönt, durch das siegesgewisse »Krieg dem Kriege!«
    ½ 4 Uhr früh.
    »Obiges schrieb ich gestern nachts. Dann habe ich mich auf einen Strohsack gelegt und ein paar Stunden geschlafen. In einer halben Stunde wird aufgebrochen, und dies kann ich noch der Feldpost übergeben. Alles ist schon wach und rüstet zum Abmarsch. Die armen Leute: wenig Ruhe haben sie gefunden, nach der gestern vollbrachten – wenig Kräftigung zu der heute zu vollbringenden Blutarbeit ... Vorhin habe ich noch einen Rundgang durch unser improvisiertes Lazarett gemacht, welches hier zurückbleibt. Da sah ich unter den Verwundeten und Sterbenden ein paar, denen ich es gern so gemacht hätte wie dem brennenden Pferde: ihnen eine Gnadenkugel durch den Kopf gejagt. Da ist einer, dem der ganze Unterkiefer weggeschossen ist; da ist ein anderer, der – Genug ... Ich kann nicht helfen – niemand kann da helfen als der Tod. Leider ist der oft so langsam ... Wer ihn verzweifelt anruft, dem gegenüber stellt er sich taub. Er ist anderweitig viel zu sehr beschäftigt, diejenigen hinzuraffen, die inbrünstig auf Genesung hoffen, die ihn flehentlich anrufen: O verschone mich!
    Mein Pferd ist gesattelt – jetzt heißt es diese Zeilen schließen. Leb wohl Martha – wenn Du noch lebst.«
    * * *
    Zum Glück befanden sich in dem Briefpaket noch Nachrichten jüngeren Datums als das eben angeführte Schreiben ... Nach der in letzterem vorhergesagten Schlacht hatte Friedrich berichten können:
    »Der Tag ist unser. Ich bin unversehrt geblieben. Das sind zwei gute Nachrichten – die erste namentlich für Deinen Vater, die zweite für Dich. Daß für unzählige andere derselbe Tag unzähligen Jammer gebracht hat, vermag ich nicht zu übersehen.«
    In einem andern Brief erzählte Friedrich, daß er mit seinem Vetter Gottfried zusammengetroffen:
    »Stelle Dir vor, welche Überraschung: Wen sehe ich an der Spitze eines Detachements an mir vorüber reiten? Tante Korneliens einzigen Sohn. Muß die Arme jetzt doch zittern ... Der Junge selber ist ganz begeistert und kampfesfroh. Ich sah es an seiner stolzen, leuchtenden Miene und er hat es mir auch bestätigt. Am selben Abend waren wir zusammen im Lager und ich ließ ihn in mein Zelt rufen. »Das ist ja herrlich,« rief er entzückt, »daß wir für dieselbe Sache kämpfen, Vetter – und nebeneinander! Hab' ich nicht Glück, daß gleich im ersten Jahre meiner Leutnantsschaft Krieg ausgebrochen? Ich werde mir ein Verdienstkreuz holen.« – »Und die Tante – wie hat sie dein Ausrücken aufgenommen?« – »Wie das nun schon 'mal der Mütter Brauch: mit Tränen – die sie übrigens zu verbergen suchte, um meine Lust nicht zu dämpfen – mit Segenswünschen, mit Kummer und mit Stolz.«–
    »Und wie war's Dir selber zu Mute, als Du zum erstenmal ins Gemenge kamst?« – »O wonnig erhebend!« – »Du brauchst nicht zu lügen, mein Junge. Nicht der Stabsoffizier fragt nach deinen pflichtschuldigen

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