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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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Leutnantsgefühlen, sondern der Mensch und Freund.« – »Ich kann nur wiederholen: wonnig und erhebend. Schauerlich – ja ... aber: so großartig! Und das Bewußtsein, daß ich die höchste Mannespflicht erfülle mit Gott für König und Vaterland! Und dann: daß ich den Tod, dieses sonst so gefürchtete und gemiedene Gespenst, hier so nahe um mich herum walten sehen – seine Sense auch über mir erhoben – das versetzt mich in eine eigene, über die Gewöhnlichkeit so erhabene, epische Stimmung ... Die Muse der Geschichte fühle ich uns zu Häupten schweben und unserem Schwert die Siegeskraft verleihen. Ein edler Zorn durchglüht mich gegen den frechen Feind, der das Recht der deutschen Lande niedertreten wollte, und es ist mir ein Hochgefühl, diesen Haß befriedigen zu dürfen ... das ist ein eigen, geheimnisvolles Ding, dieses Umbringendürfen – nein Umbringen müssen – ohne ein Mörder zu sein und mit unerschrockener Preisgebung des eigenen Lebens« ...
    So faselte der Knabe weiter. Ich ließ ihn reden. Habe ich doch Ähnliches empfunden, als mich die erste Schlacht umtoste. »Episch« ja, da hat er das richtige Wort getroffen. Die Heldengedichte und Heldengeschichten, mittels deren uns die Schule zu Kriegen aufzieht, sie sind es, welche dann durch den Donner der Geschütze, durch das Blitzen der blanken Waffen und durch das Feldgeschrei der Kämpfer in unserem Hirn zum Vibrieren gebracht werden. Und die Außergewöhnlichkeit, die unverständliche Außergesetzlichkeit, in der man plötzlich sich befindet, die macht, als wäre man in eine andere Welt versetzt ... es ist wie ein Ausblick von dem banalen Erdendasein mit seiner friedlichen bürgerlichen Ruhe, in ein titanisches Gewühl von Höllengeistern ... Aber mir war dieser Taumel bald verflogen und nur mühsam kann ich mich in die Empfindungen zurückdenken, wie sie mir der junge Tessow geschildert. Ich habe es zu früh erkannt, daß der Schlachteneifer nichts Übermenschliches, sondern – Untermenschliches ist; keine mystische Offenbarung aus dem Reiche Luzifers, sondern eine Reminiszenz aus dem Reiche der Tierheit – ein Wiedererwachen der Bestialität. Nur wer sich bis zur wilden Mord lust berauschen kann, wer – wie ich das bei manchen unter uns gesehen – mit weit ausgeholtem Hiebe den Schädel eines entwaffneten Feindes spaltet; wer zum Berserker – tiefer noch – zum blutdürstigen Tiger herabgesunken, der hat für Augenblicke »des Kampfes Wollust« genossen. Ich nie – mein Weib – glaube es mir, ich nie.
    Gottfried ist entzückt, daß wir Österreicher für dieselbe »gerechte Sache« (was weiß denn er? Als ob nicht jede Sache im Armeebefehl als die »gerechte« hingestellt würde) wie die Preußen eingetreten sind. »Ja, wir Deutsche sind doch alle ein einig Volk von Brüdern.« – »Das hat sich schon im dreißigjährigen Krieg – und auch im siebenjährigen Krieg gezeigt,« schaltete ich halblaut ein. Gottfried überhörte mich und fuhr fort: »Füreinander, miteinander besiegen wir jeden Feind.« – »Wie dann, mein Junge, wenn heute oder morgen die Preußen mit den Österreichern kämpfen und wir zwei als Feinde gegen einander gestellt werden?« – »Nicht denkbar. Jetzt, nachdem unser beider Blut für eine Sache geflossen, jetzt kann doch nie mehr ...« – »Nie mehr? Ich warne dich vor den Ausdrücken ›nie‹ und ›ewig‹ in politischen Dingen. Was die Eintagsfliegen im Reiche der Lebewesen, das sind die Völkerfeindschaften und Freundschaften im Reiche der geschichtlichen Erscheinungen.«
    Ich schreibe das alles nieder, Martha, nicht weil ich glaube, daß es Dich – arme Kranke – interessieren könne; noch, weil ich Dir gegenüber Betrachtungen anstellen will: aber ich habe eine Idee, daß ich bleiben werde und da will ich nicht, daß meine Gefühle unausgesprochen mit mir ins Grab versinken. Mein Brief kann – auch noch von anderen als Dir – gefunden und gelesen werden. Es soll nicht ewig verschwiegen und vertuscht bleiben, was sich im Geiste unbefangen denkender und menschlich fühlender Soldaten regt. »Ich hab's gewagt,« war Ulrich von Huttens Wahlspruch. »Ich hab's gesagt –: mit dieser Gewissensberuhigung will ich aus dem Leben geschieden sein.«
    Die jüngste der vorhandenen Nachrichten war vor fünf Tagen abgesendet worden und vor zwei Tagen angekommen. Was kann in fünf Tagen – fünf Kriegstagen – nicht alles geschehen sein? Sorge und Bangen ergriff mich. Warum war gestern, warum heute kein

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