Die Wahlverwandtschaften
Grafen und die Baronesse, die Ihnen auch schon zu schaffen gemacht haben«.
Aus der Mitte der vier Hausgenossen, die den seltsamen, willkommenen Mann umgeben hatten, fuhr er mit verdrießlicher Lebhaftigkeit heraus, indem er sogleich nach Hut und Reitgerte suchte: »schwebt doch immer ein Unstern über mir, sobald ich einmal ruhen und mir wohltun will!
Aber warum gehe ich aus meinem Charakter heraus!
Ich hätte nicht kommen sollen, und nun werd ich vertrieben.
Denn mit jenen will ich nicht unter einem Dache bleiben; und nehmt euch in acht: sie bringen nichts als Unheil!
Ihr Wesen ist wie ein Sauerteig, der seine Ansteckung fortpflanzt«.
Man suchte ihn zu begütigen, aber vergebens.
»Wer mir den Ehstand angreift«, rief er aus, »wer mir durch Wort, ja durch Tat diesen Grund aller sittlichen Gesellschaft untergräbt, der hat es mit mir zu tun; oder wenn ich sein nicht Herr werden kann, habe ich nichts mit ihm zu tun.
Die Ehe ist der Anfang und der Gipfel aller Kultur.
Sie macht den Rohen mild, und der Gebildetste hat keine bessere Gelegenheit, seine Milde zu beweisen.
Unauflöslich muß sie sein; denn sie bringt so vieles Glück, daß alles einzelne Unglück dagegen gar nicht zu rechnen ist.
Und was will man von Unglück reden?
Ungeduld ist es, die den Menschen von Zeit zu Zeit anfällt, und dann beliebt er sich unglücklich zu finden.
Lasse man den Augenblick vorübergehen, und man wird sich glücklich preisen, daß ein so lange Bestandenes noch besteht.
Sich zu trennen gibts gar keinen hinlänglichen Grund.
Der menschliche Zustand ist so hoch in Leiden und Freuden gesetzt, daß gar nicht berechnet werden kann, was ein Paar Gatten einander schuldig werden.
Es ist eine unendliche Schuld, die nur durch die Ewigkeit abgetragen werden kann.
Unbequem mag es manchmal sein, das glaub ich wohl, und das ist eben recht.
Sind wir nicht auch mit dem Gewissen verheiratet, das wir oft gerne los sein möchten, weil es unbequemer ist, als uns je ein Mann oder eine Frau werden könnte?« so sprach er lebhaft und hätte wohl noch lange fortgesprochen, wenn nicht blasende Postillons die Ankunft der Herrschaften verkündig hätten, welche wie abgemessen von beiden Seiten zu gleicher Zeit in den Schloßhof hereinfuhren.
Als ihnen die Hausgenossen entgegeneilten, versteckte sich Mittler, ließ sich das Pferd an den Gasthof bringen und ritt verdrießlich davon.
Die Gäste waren bewillkommnet und eingeführt; sie freuten sich, das Haus, die Zimmer wieder zu betreten, wo sie früher so manchen guten Tag erlebt und die sie eine lange Zeit nicht gesehn hatten.
Höchst angenehm war auch den Freunden ihre Gegenwart.
Den Grafen sowie die Baronesse konnte man unter jene hohen, schönen Gestalten zählen, die man in einem mittlern Alter fast lieber als in der Jugend sieht; denn wenn ihnen auch etwas von der ersten Blüte abgehn möchte, so erregen sie doch nun mit der Neigung ein entschiedenes Zutrauen.
Auch dieses Paar zeigte sich höchst bequem in der Gegenwart.
Ihre freie Weise, die Zustände des Lebens zu nehmen und zu behandeln, ihre Heiterkeit und scheinbare Unbefangenheit teilte sich sogleich mit, und ein hoher Anstand begrenzte das Ganze, ohne daß man irgendeinen Zwang bemerkt hätte.
Diese Wirkung ließ sich augenblicks in der Gesellschaft empfinden.
Die Neueintretenden, welche unmittelbar aus der Welt kamen, wie man sogar an ihren Kleidern, Gerätschaften und allen Umgebungen sehen konnte, machten gewissermaßen mit unsern Freunden, ihrem ländlichen und heimlich leidenschaftlichen Zustande eine Art von Gegensatz, der sich jedoch sehr bald verlor, indem alte Erinnerungen und gegenwärtige Teilnahme sich vermischten und ein schnelles, lebhaftes Gespräch alle geschwind zusammenverband.
Es währte indessen nicht lange, als schon eine Sonderung vorging.
Die Frauen zogen sich auf ihren Flügel zurück und fanden daselbst, indem sie sich mancherlei vertrauten und zugleich die neuesten Formen und Zuschnitte von Frühkleidern, Hüten und dergleichen zu mustern anfingen, genugsame Unterhaltung, während die Männer sich um die neuen Reisewagen, mit vorgeführten Pferden, beschäftigten und gleich zu handeln und zu tauschen anfingen.
Erst zu Tische kam man wieder zusammen.
Die Umkleidung war geschehen, und auch hier zeigte sich das angekommene Paar zu seinem Vorteile.
Alles, was sie an sich trugen, war neu und gleichsam ungesehen und doch schon durch den Gebrauch zur Gewohnheit und Bequemlichkeit eingeweiht.
Das
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