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Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Titel: Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Wooding
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EINS
Lawsen Macarde – Eine Frage der Wahrscheinlichkeiten – Freys Entermesser – Neue Horizonte
    Der Schmuggler hielt die Kugel zwischen Daumen und Zeigefinger und betrachtete sie im schwachen Licht des Lagerraums. Er lächelte griesgrämig.
    »Stell dir das bloß mal vor«, sagte er. »Stell dir vor, wie es sich anfühlt, wenn dieses Ding durch deinen Kopf geht.«
    Grayther Crake wollte sich nichts dergleichen vorstellen. Er gab sich alle Mühe, nicht zu kotzen, nachdem er sich an diesem Morgen schon einmal bekleckert hatte, und zwar nicht mit Ruhm. Er warf dem Mann neben ihm einen verstohlenen Blick zu und hoffte auf irgendeinen Hinweis darauf, dass er einen Plan hatte, eine Idee, wie sie aus dieser üblen Lage herauskommen könnten. Aber Darian Freys Gesicht war hart und gab nichts preis.
    Sie waren beide an den Handgelenken gefesselt und standen mit dem Rücken an der feuchten, abblätternden Wand. Drei bewaffnete Gorillas sorgten dafür, dass sie dort blieben.
    Der Schmuggler hieß Lawsen Macarde. Er war ein gedrungener Bursche, auf dessen schmierigen grauen Haaren und fettiger Haut ein Schimmer von Schweiß und Schmutz lag; seine Züge waren auf ein breites, tief gefurchtes Gesicht geklatscht.
Crake sah zu, wie er eine Patrone in die leere Trommel seines Revolvers schob. Er drehte die Trommel, ließ den Revolver zuschnappen und wandte sich dann seinem Publikum zu.
    »Glaubt ihr, es tut weh?«, fragte er nachdenklich. »Und sei es auch nur für einen winzigen Moment? Oder ist alles – peng! – sofort vorbei?«
    »Wenn du so neugierig bist, probier’s doch an dir selber aus«, empfahl ihm Frey.
    Macarde schlug ihm in den Bauch, wobei er sein ganzes beträchtliches Gewicht in den Fausthieb legte. Frey klappte mit einem Ächzen zusammen und wäre beinahe auf die Knie gesunken. Er richtete sich mit einiger Anstrengung auf, bis er wieder gerade stand.
    »Gutes Argument«, keuchte er. »Überzeugend vorgetragen.«
    Macarde hielt Crake die Mündung des Revolvers an die Stirn und starrte Frey an.
    »Ich zähle bis drei. Willst du mit ansehen, wie das Gehirn deines Mannes über die ganze Wand spritzt?«
    Frey antwortete nicht. Crakes Gesicht unter dem kurz gestutzten blonden Bart war grau. Er stank nach Alkohol und Schweiß. Seine Augen zuckten nervös zum Kapitän.
    »Eins.«
    Frey zeigte keinerlei Anzeichen einer Reaktion.
    »Ich bin bloß ein Passagier!«, rief Crake. »Ich gehöre nicht mal zu seiner Crew!« Sein Akzent verriet eine aristokratische Herkunft, die man ihm ansonsten nicht ansah. Seine Haare waren ungepflegt, seine Stiefel mit Erbrochenem bespritzt, sein langer, halb aufgeknöpfter Mantel stand offen. Und als Krönung des Ganzen war er kurz davor, sich vor Angst in die Hosen zu machen.
    »Kennst du den Zünd-Code für die Ketty Jay?«, fragte ihn
Macarde. »Weißt du, wie man sie startet und in die Luft bringt?«
    Crake schluckte und schüttelte den Kopf.
    »Dann halt’s Maul. Zwei.«
    »Niemand außer mir fliegt die Ketty Jay, Macarde. Das hab ich dir schon mal gesagt.« Freys Blick irrte rastlos durch den Lagerraum. Von Wolken gedämpftes Sonnenlicht fiel durch horizontale Schlitze hoch oben in einer Steinwand auf grob zusammengenähte Hanfsäcke, Seilrollen und bösartig aussehende Haken, die an Ketten von der Decke baumelten. Kalte Schatten gruben sich tief in die zerfurchten Gesichter Macardes und seiner Männer, und die Luft roch nach Feuchtigkeit und Moder.
    »Drei«, sagte Macarde und drückte auf den Abzug.
    Klick.
    Crake zuckte zusammen und wimmerte, als der Hahn auf eine leere Kammer traf. Kurz darauf wurde ihm bewusst, dass er noch am Leben war. Zitternd stieß er den Atem aus, als Macarde die Waffe wegnahm, und warf Frey dann einen hasserfüllten Blick zu.
    Freys Miene war ausdruckslos. Er war ein ganz anderer Mensch als der Mann, den Crake am Vorabend erlebt hatte. Jener Mann hatte so laut gelacht wie Malvery und sich zusammen mit allen anderen über Pinn lustig gemacht. Er hatte Geschichten erzählt, über die sie sich halbtot gelacht hatten, und bis zum Umfallen getrunken. Jenen Mann kannte Crake seit fast drei Monaten. Jenen Mann hätte er vielleicht als Freund bezeichnet.
    Macarde betrachtete den Revolver theatralisch. »Noch fünf Kammern. Eine weniger. Was meinst du, hast du ein weiteres Mal Glück?« Er hielt Crake die Mündung erneut an die Stirn.

    »Oh, bitte nicht«, bettelte Crake. »Bitte, bitte nicht. Sagen Sie’s ihm, Frey. Hören Sie auf mit den Spielchen, und

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