Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Titel: Die wahre Lehre - nach Mickymaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
Vom Netzwerk:
den inzwischen überwucherten Haufen Zement anstarren. Dann würde er wenden und zurückfahren. Noch ein ganzes Jahr bis zu seinem nächsten Geburtstag. Er zwang sich, an die näherkommende Kurve zu denken.
    Der Z schoß aus der letzten Biegung, und Martin starrte verblüfft geradeaus. Er trat unwillkürlich hart auf die Bremse, die Reifen quietschten, und der Z drehte sich einmal um sich selbst und blieb in einer riesigen Staubwolke knirschend am Straßenrand stehen. Der Motor war aus, weil er nicht die Kupplung getreten hatte, und der Ruck hatte die Kassette aus dem Abspieler gerissen.
    Es war still. Martin saß nur da und starrte. Der Steinhaufen, der einmal eine Überführung über den Highway gewesen war, war gespalten, als wäre die Hand eines Giganten mit einem Karateschlag dazwischengefahren. Er konnte den Freeway auf der anderen Seite der Lücke sehen: frei und leer. Seine Gedanken rasten. Das Zittern, das er vor zwei Monaten im Paß gespürt hatte, mußte ein recht ansehnliches Erdbeben gewesen sein. Es hatte das Hindernis so weit auseinandergerissen, daß er hindurchfahren konnte.
    Er löste den Sicherheitsgurt und stieg aus. Er nahm den Feldstecher, mit dem er sonst die Straße nach umgestürzten Bäumen absuchte. Der Asphalt, auf dem die Trümmer gelegen hatten, war rissig und verworfen, doch passierbar. Er konnte den Z hindurchbugsieren, ohne die Kotflügel aufzuschrammen. In der Ferne erregte etwas seine Aufmerksamkeit. Eine Rauchsäule. Er kletterte die Überführung hinauf, vorsichtig, um seine Kleidung nicht zu beschmutzen, bis er auf einem Zementblock stand, von dem aus er den Hafen überblicken konnte. Im vollen Sonnenlicht hob er das Fernglas an die Augen.
    Im Hafen ankerten mehrere kleine Boote mit geflickten Segeln. Die meisten Gebäude in der Stadt waren eingestürzt, doch hin und wieder sah er eins, das gut erhalten schien. Aus diesen Hütten stieg der Rauch von Kochfeuern auf, und er hörte das Lachen spielender Kinder in der stillen Luft. Er sah Frauen mit Säuglingen an der Brust, alte Männer mit grauen Bärten und halbnackte Jungs, die mit Speer und Bogen trainierten. Auf den Booten arbeiteten Männer, ihre dunkel gebräunte Haut glänzte vor Schweiß. Leben. Menschen. Also war er doch nicht der einzige Überlebende. Seine Augen füllten sich mit Tränen, als er die Szenerie da unten beobachtete, und zum erstenmal seit zwanzig Jahren fühlte er Schmerz, echten Schmerz. Einen brennenden Schmerz, der aus seinem Bauch aufstieg und ihm die Luft nahm.
    Also haben sie es doch nicht geschafft, alle Leute umzubringen, dachte er, während ihm die Tränen in Sturzbächen über die Wangen rollten. Er wischte sich die Augen und ließ das Fernglas sinken und ging zum Wagen zurück. Sein Gesicht zeigte einen entschlossenen Ausdruck, als er den Motor anließ und das Auto zum Spalt in der Überführung lenkte. Dort blieb er stehen, drehte den Motor hoch, stellte sich die bestürzten Gesichter vor, wenn er hupend, mit lauter Musik, die Straße hinunterdonnerte. Sie würden ihn für einen Gott halten. Er erinnerte sich an Wells’ Zeitmaschine. Wie hießen die Leute noch? Die ELOI? Er würde der Häuptling sein, und sein Leben würde einen Sinn bekommen, ein Ziel. Er würde König im Land der Blinden sein.
    Oder ein Anormaler im Land der Normalen. Er blickte zu seiner Frau, und sie lächelte ihn an. Er erwiderte das Grinsen und legte den Rückwärtsgang ein. Er wendete gekonnt, gab dem Wagen Zunder und entfernte sich rasch vom Dorf und den Menschen.
    Vielleicht im nächsten Jahr, dachte der alte Mann.
    Oder vielleicht im übernächsten.
     
    Originaltitel: ›The Last Picasso‹
    Copyright © 1982 by Ultimate Publishing Corp.
    (erstmals erschienen in ›Amazing‹, März 1982)
    mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Agentur Luserke, Friolzheim
    Copyright © 1991 der deutschen Übersetzung Wilhelm Heyne Verlag, München
    Aus dem Amerikanischen übersetzt von Jürgen Langowski
    Illustriert von Jobst Teltschik

 
----
----
Richard Mueller
Bullivants Messer
----
----
     
     
    D er Mann tauchte mit fuchtelnden Armen auf und fiel hin. Dann lag er ausgestreckt im Dreck, seine rechte Hand umklammerte ein Messer, die linke triefte von Blut.
     
    Ich kannte Bullivant schon einige Jahre, bevor ich sein Geheimnis entdeckte. Zunächst schien er nur einer jener idiotischen Typen zu sein, die immer noch von der großen Zeit in Indien zehren und mit den entsprechenden Filmen eigentlich hätten aussterben

Weitere Kostenlose Bücher