Die wahre Lehre - nach Mickymaus
Beschäftigung.
Ein Besuch in der öffentlichen Bücherei ergab, daß Twaschri eine Hindu-Gottheit war, die für Wissenschaft, Technik, Magie, Erfindungen und dergleichen zuständig war, und entsprechend konzentrierte ich meine Suche, aber weder bei Aleph Books noch im House of Hermetics noch bei Bodhi Tree konnte ich etwas darüber erfahren. Ich klapperte einige ausgefallene Antiquariate ab und fuhr sogar hinaus zu The Scene Of The Crime, in der vagen Hoffnung, daß ich dort den wahren Mysterien auf die Spur käme. Alles ohne Erfolg. Dann tat ich das, was ich von Anfang an hätte tun sollen. Ich rief Juli Denner an.
Als ich vor etlichen Jahren nach Los Angeles gekommen war, war Juli die erste Frau, mit der ich ein Verhältnis hatte. Getreu nach dem Tschechow-Prinzip wurden wir gute Freunde, nachdem die Flamme der Liebe erloschen war. Sie hatte inzwischen geheiratet, und unsere Interessen hatten sich in ganz unterschiedliche Richtungen entwickelt, aber wir waren immer in Verbindung geblieben. Wenn sie eine Frage auf dem Gebiet der Geschichte hatte oder eine Quelle für einen Aufsatz oder eine Erzählung brauchte, war ich derjenige, den sie anrief. Und Juli war für mich die Kapazität in Sachen Okkultes.
»Michael, ich dachte du wärst tot oder in England!«
»Aus dem Grabe auferstanden, sonst nichts. Ich bin seit Oktober zurück.«
»Also, du hättest ja mal schreiben oder anrufen können, als du wieder hier warst …«
Ich ließ ihre berechtigten Beschwerden widerspruchslos über mich ergehen und wartete, bis sie fertig war, dann sagte ich: »Ich werde es wiedergutmachen. Ich lade dich und Robert zum Essen ein. Zu irgend etwas Feinem, Ausgefallenem, wie gebratene Gans …«
»Robert macht zur Zeit eine Stippvisite in San Francisco, aber ich nehme gern an. Wie wär’s mit Sushi?«
Ich fand, daß sich das ausgefallen genug anhörte, und wir trafen uns am gleichen Abend im Restaurant ›Ai-Garten‹.
»Die Mysterien von Twaschri?«
»Die Twaschri-Mysterien«, sagte ich und wälzte eine Thunfischrolle im Mund. »Schon mal gehört?«
Juli warf das wallende schwarze Haar zurück und schüttelte den Kopf. »Ich habe noch nie davon gehört, aber das heißt nicht, daß ich es nicht finden kann. Ich kenne sogar tatsächlich jemanden, der vielleicht ein Exemplar besitzt. Wir können später zu ihm gehen und ihn fragen, wenn du Lust hast.«
Ich fand, das hörte sich gut an. »Wer ist der Typ? Ein Sammler?«
»Könnte man sagen. Es ist der Baron.«
»Wirklich?«
Als ich Juli kennenlernte, arbeitete sie in einem esoterischen Buchladen und war sehr stark in der okkulten Szene von Los Angeles engagiert. Sie besuchte Kurse für weiße Magie und Seancen und kannte durch ihre Tätigkeit in dem Laden viele Leute quer durch alle Bereiche der angewandten Magie in Los Angeles. Einer davon war der Baron.
Ich war dem Comte Adrian de Servais, Baron von Hankau, niemals persönlich begegnet, aber ich wußte von Juli, daß seine Magie alles andere als weiß war, sondern schon ganz erheblich ins Dunkelgrau tendierte. Adrian, Kosmopolit, Antiquar und Sammler war ein berüchtigter Homosexueller von unbestimmbarem Alter, von dem Gerüchte besagten, daß er einst Berater der Königin von China gewesen und geflohen sei, nachdem er im Boxeraufstand 1905 in Ungnade gefallen war. Dieser sonderbare Mann war eine der kuriosesten Erscheinungen der Untergrundszene von Los Angeles, und ich sollte ihn jetzt kennenlernen.
»Paß auf, daß du ihm nicht irgendwie zu nahe trittst, Michael. Adrian ist in der Weihnachtszeit immer leicht reizbar.«
Und ob ich aufpassen würde! »Ich werde auf der Hut sein.«
»Gut. Er besitzt ziemlich viel Macht. Und ich möchte nicht, daß dir etwas passiert.«
Ich hoffe, Sie wissen das zu würdigen, Bullivant.
Der Baron entpuppte sich als ein Ausbund an Zuvorkommenheit. Nachdem er mich mit einem unverhohlen abschätzenden Blick gemustert hatte, wandte er sich an Juli und sagte: »Ich werde deinem Freund helfen. Seine Absichten sind ehrenwert und dienen der Wissenschaft und Forschung.« Nicht schlecht, nachdem ihm Juli bis jetzt nur meinen Namen genannt hatte! »Und übrigens, meine Liebe, er hat Schlafzimmer-Augen.«
In der Annahme, daß ich mit Juli sicher wäre, folgte ich den beiden nach drinnen. Adrian war ein kleingewachsener Mann, wendig und mit eleganten Bewegungen, er trug einen Kinnbart und einen bizarr gezwirbelten Schnauzer. Ich habe niemals an das Übersinnliche geglaubt (obwohl ich Julis
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