Die wahre Lehre - nach Mickymaus
Gordon«, sagte Jackie, »egal, was wir senden, Houston wird es hören.« Aus den Gesichtern der Zuhörer schloß Pat, daß sie jetzt begriffen, was ihr schon vorher klargeworden war: Ihr Wunsch, die Aliens zu beschützen, konnte den Leuten auf der Erde, die immerhin ihre Gehälter zahlten, wie Verrat vorkommen.
Der Standpunkt der NASA war nicht unvernünftig. Der Westen hatte gerade eine riesige Summe aufgewendet, um die Biosphäre aufzubauen. Wenn die Mausketiere die Mitarbeiter erledigten, hatten sie eine gemütliche, kostenlose Unterkunft und gleichzeitig eine Basis, um die Erde zu bedrohen.
Andererseits – warum sollten sie nicht aufrichtig sein?
Das Dschungel-Biotop war endlich fertig, und Pat konnte sich die in der Zwischenzeit aufgezeichneten Filme vom Mickymaus-Club ansehen. Sie setzte sich gemütlich zurecht und bereitete sich darauf vor, die Bilder aus ihrer lange vergangenen Jugend wiederzuerleben. Als der Vorspann lief – eine Marschversion der Mausketier-Hymne, wundervoll instrumentiert und reizend gesungen – öffnete sich ihr Mund zu einem breiten Grinsen, und Tränen quollen in ihre Augen. Sie hatte die Melodie seit dreißig Jahren nicht mehr gehört, nicht mehr seit einem Rückblick im Fernsehen in den achtziger Jahren.
In der ersten Viertelstunde trat eine Puppe namens Sooty auf, die von einem Engländer bewegt wurde. Die Vorstellung, die Pat schon mit dreizehn langweilig und blöd gefunden hatte, konnte ihr auch jetzt bei aller Liebe keine Begeisterungsstürme entlocken, doch sie mußte zugeben, daß die Puppe bei sehr kleinen Kindern vielleicht gut ankam. Der Film wurde mehrmals von Werbung unterbrochen (die NASA-Techniker hatten ihn ungeschnitten gesendet): Peter Pan-Erdnußbutter, Mattel-Spielzeug, Davy Crocket-Waschbärenmützen, Ipana-Zahnpasta (mit Bucky Beaver). Die Werbung war besser gemacht als Sooty. Aber Pat war auf die Mausketiere gespannt.
Schließlich teilte sich der Vorhang, und eine Gruppe lebhafter Kinder erschien auf dem Bildschirm. Pats Herz tat einen Sprung; sie rutschte im Sessel zurück, die Arme verschränkt, die Beine weit ausgestreckt. Wie wundervoll war das gewesen, welch himmlisches Geschenk für ein unglückliches Kind, dieses Kostüm zu machen und anzuziehen und zu versuchen, die Tanzschritte zu meistern – und wie schmerzhaft! –, bis sie endlich fähig war, die Bewegungen mitzumachen, die jetzt von den Mausketieren vorgeführt wurden, während sie die Bühne betraten.
Ach, und jetzt! Der Roll Call, die kurze Parade der glücklichsten Kinder der Welt und ihrer zwei erwachsenen Wächter: Cubby! Karen! Tommy! Sharon! Mike! Doreen! Mark! Darlene! Lonnie! Nancy! Bobby! Annette! Roy!
Jimmie!
Pat erlebte den Film in nostalgischer Verzückung. Es war ein Montag: der Musiktag. Jimmie zeigte den Mausketieren, wie man auf einer kleinen Bariton-Ukulele spielte. Pat erinnerte sich genau an diese Nummer; sie hatte die Melodie später im College oft gesummt, als sie versuchte, Gitarre zu spielen.
Darauf folgte eine Episode von ›Spin and Marty‹ über ein paar Jungs im Sommercamp. Es war eine klassische Disney-Geschichte von einem reichen, aber einsamen und unsozialen Jungen, einem Elternersatz (dem Leiter seiner Baracke) und einer großen ›Familie‹, die aus den anderen Jungen im Camp bestand. Es war ein Spiegelbild von den Mausketieren und Jimmie, das damals besonders beliebt gewesen war. Dann kam (nicht sehr lustig) ›Mauscartoon‹. Und schließlich, kurz vor der Mausketier-Hymne, erschien Jimmie selbst vor der Kamera, um eine seiner kleinen Predigten zu halten, die ›Doddismen‹ genannt wurden. Pat hatte sie besonders geliebt und ein Jahr lang alle aufgeschrieben, sehr zum Unwillen ihrer Eltern, die fürchteten, Jimmie sei ein Gegengift gegen manche Unterlassungssünden der Familie.
Andere Mitarbeiter hatten sich zu Pat gesellt, doch sie bemerkte sie kaum. Sie saß gebannt vor den Bildern dieses Menschen, der Wärme und Aufrichtigkeit verströmte wie ein Kamin, der lächerlich hätte sein sollen – ein Mann in mittleren Jahren mit Mickymaus-Ohren – und der es dennoch nicht war. Sie wußte es. Sie war ihm zweimal begegnet. Persönlich war er genauso warm gewesen, genauso schlicht.
Erst als Pat am Ende der Hymne aus ihrer Trance erwachte, bemerkte sie die Reaktionen ihrer Kollegen, die den Mickymaus-Club zum erstenmal gesehen hatten.
»Mein Gott, ich kann’s nicht glauben!« schnaufte jemand hinter ihr. »Ich kann nicht glauben, daß ich so um
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