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Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Titel: Die wahre Lehre - nach Mickymaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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selbst hier wäre.«
    Als der kleine Vortrag beendet war, lösten die untergeordneten Aliens ihre Formation auf und unterhielten sich mit fliegenden Tentakeln; vielleicht stritten oder brüllten sie. Pat wußte es nicht, und es war ihr auch egal. »Seht ihr«, sagte sie, »wir haben hier eine Tradition. Wie Gordon schon sagte: Wenn ein Heiliger unter uns erscheint, wird er ignoriert oder für ein Ungeheuer gehalten und getötet. Aber jemand anders – oft genug ein Fremder – versteht die Situation und übernimmt an Stelle des toten Heiligen. Und deshalb geht die Botschaft nicht verloren, weil der, der ihn erkannte, sie zu einem anderen Ort bringt, wo sie vielleicht noch dringender gebraucht wird und wo die Leute bereitwillig zuhören.«
    Alien-Jimmie rollte die Tentakel ein. Er konzentrierte sich auf Pat.
    »Zufällig waren die Röcke und Hosen und Socken blau.«
    Der Alien sagte: »Du kannst kommen und unser Jimmie sein – komm und zeig uns, wie es gemacht wird.«
    Der Vorschlag warf Pat fast von den Beinen. Sie öffnete protestierend den Mund, aber sie schloß ihn wieder und dachte nach. Schließlich sagte sie: »Wie würde das gehen?«
    »Wir haben für Jimmie einen Platz auf dem Schiff vorgesehen, falls er uns begleitet hätte – dort könntest du leben. Du wirst nicht krank; wir haben Tests durchgeführt. Willst du das tun, Patsy? Willst du Jimmies Rolle spielen und den Fremden seine Botschaft bringen?«
     
    Drei Tage später lag Pat wach im Beiboot der Mausketiere in einer Kabine, die etwa so groß war wie ihr Schlafzimmer in der Biosphäre. Das Schiff hatte den Parkorbit vor drei Tagen verlassen und näherte sich der Grenze des Sonnensystems. Sie lag auf einem Bett, das einer Fernsehkomödie nachempfunden war – wahrscheinlich ›I Love Lucy‹ – mit dicken, weichen Laken und einer dicken grauen Decke. Das Bett war zu kurz; sie mußte quer darin liegen. Sie starrte zufrieden die bleichen, leicht glühenden Wände an. Die freundlichen grauen Aliens hatten sie gefüttert und versorgt und auf ihre Bitte allein gelassen.
    Im Schiff herrschte eine künstliche Schwerkraft; Pat fühlte sich etwas schwerer als auf dem Mars, aber nicht ganz so schwer wie auf der Erde.
    Sie glaubte, sie würde die Erde nie wiedersehen. Jedesmal, wenn sie daran dachte, war sie überrascht, wie wenig es ihr ausmachte. Doch die Erklärung war nicht schwer zu finden. Ihre einzige Ehe war schon vor vielen Jahren geschieden worden. Die Erinnerungen an das Leben mit ihrem geschiedenen Mann schmeckten schal wie altes Bier. Sie hatte keine Kinder, und die Freunde, die noch lebten, waren auf drei Kontinenten verstreut. Sie stand kurz vor der Rente, nach einem Leben, erfüllt von Arbeit und sonst nicht viel – was, in Gottes Namen, sollte sie auf der Erde mit sich anfangen? Welchen Nutzen hätte sie noch? Vielleicht eine Beratertätigkeit und vor dem Mittagessen acht Löcher Golf? Diese Aussichten fand sie so gräßlich, daß sie lieber gar nicht darüber nachdenken wollte.
    Warum, in aller Welt, sollte sie nicht einen Weg gehen, den noch nie ein Mensch gegangen war? Warum sollte sie nicht das Evangelium von Jimmie Dodd zu den jungen außerirdischen ›Berserkern‹ tragen? Vielleicht kam die Botschaft sogar an.
    Gordon hatte sie für verrückt gehalten und sich nach Kräften bemüht, sie zurückzuhalten, aber da Pats Vertrag schon vor Wochen ausgelaufen war, hatte er keine juristische Handhabe. (Die NASA hätte sicher einen Weg gefunden, legal oder illegal, wenn das Schiff rechtzeitig eingetroffen wäre; aber es war nicht gekommen, und das Schiff der Außerirdischen war um mehrere Klassen besser, so daß eine Verfolgung sinnlos war.)
    »Du bist zu alt, um dich auf so ein Abenteuer einzulassen!« hatte Gordon schließlich gerufen. »Das ist lächerlich und absurd! Du kommst nicht lebend zurück!« Und obwohl die Aliens versprochen hatten, sie bald wieder nach Hause zu bringen, dachte Pat, daß Gordon wahrscheinlich recht hatte. Aber was machte das schon? Ihrer eigenen Ansicht nach war sie zu alt, um nicht zu gehen. Sollte Gordon doch sehen, wie er in zehn Jahren oder so darüber dachte, wenn er selbst aufs Gnadenbrot gesetzt wurde.
    Außerdem war der Gedanke, in ihrem Alter noch etwas Nützliches oder gar Heldenhaftes zu tun, einfach unwiderstehlich. Auch der Gedanke an den ewigen irdischen Ruhm, den sie sich sichern konnte, wenn sie als erster Mensch einen anderen Stern besuchte, war äußerst befriedigend, wenn auch nicht ganz so

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