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Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Titel: Die wahre Lehre - nach Mickymaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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andere.
    »Schießen Sie los, Dwight!« sagte Major Liebestraum und setzte sich. Dwight war ein sanftmütig aussehender Mann mit leiser Stimme und einem permanenten Bartschatten. Er wirkte nervös, doch waren die Augen hinter seiner Nickelbrille hell und scharf. Er breitete eine Straßenkarte aus.
    »Ich habe die alten Baupläne studiert«, sagte er. »Dieser ist vom Tiefbauamt, Abteilung Kanalbau und Abwasserbeseitigung. Es gibt einen Zugang, an den Sie vielleicht nicht gedacht haben, und den der Feind sicherlich nicht in Betracht gezogen haben wird. Er führt durch den Abwasserkanal des Spukhauses.«
    Hinter den glühenden Zigarrenstummeln knitterten und lächelten militärische Gesichter. Die Teilnehmer der Tischrunde beugten sich vor.
    »Sie sehen, ich habe den Weg grün markiert. Dieser groß dimensionierte Abwasserkanal hatte meines Wissens den Zweck, bei Unwettern anfallendes Oberflächenwasser aufzunehmen. Soviel mir bekannt ist, hat es nie einen Bedarfsfall gegeben. Wie Sie sehen können, führen vom Hauptkanal Abzweigungen in alle Teile von Disneyland. Für einen Saboteur oder Attentäter ist es ein idealer Zugang.«
    »Dwight, Sie sind ein Genie«, sagte Major Liebestraum und schlug ihn auf den Rücken. Zustimmendes Gemurmel kam von allen Seiten.
    Dwight hüstelte in die hohle Hand und lächelte schüchtern.
    »Was meinen Sie, Mr. Holmes?« fragte Major Liebestraum. »Glauben Sie, daß Sie es schaffen können? Wir werden unterdessen ihre Aufmerksamkeit mit ausgesuchten Eisenwaren, Überflügen und dergleichen ablenken. Aber jenseits davon sind Sie auf sich selbst gestellt.«
    Sherlock Holmes fuhr fort, ruhig an seiner Pfeife zu ziehen. Endlich nahm er sie aus dem Mund und klopfte die Asche in einen großen gläsernen Aschenbecher. Er betrachtete die ernsten Gesichter, die ihn umgaben, und ein Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln, aber seine Augen waren traurig.
    »Meine Herren«, sagte er endlich, »wie Sie vielleicht wissen, bin ich in vielen mißlichen Lagen gewesen, darunter manchen, die dem Herrgott selbst Kopfzerbrechen bereitet haben würden. Und doch bin ich heute hier. Wir haben nur ein Leben und müssen es führen, so gut wir es je nach unserer Erleuchtung vermögen, und das Gute mit dem Schlechten hinnehmen. Aber kann man den Ausgang voraussagen? Ich glaube, mein ganzes Leben hat auf diesen Augenblick hingeführt, und ich bin bereit. Niemand kann mit mir in jene Dunkelheit gehen. Sollte ich jedoch nicht zurückkehren, so mögen Sie wissen, meine Herren, daß es innerhalb des Zaunes andere gibt, die für mein Leben teuer bezahlt haben werden.«
    Er schwieg, und die Stille wurde nur von Dwight unterbrochen, der zugleich schluchzte und lächelte. Große Tränen sammelten sich in seinen Augen, und er nickte energisch.
     
    So kam man überein, daß Sherlock Holmes allein in Disneyland eindringen sollte. Er trug einen Feldstecher, eine Taschenlampe und seinen treuen Spazierstock bei sich. Major Liebestraum hatte ihm Handgranaten und eine Maschinenpistole angeboten. Dwight hatte sogar eine Krawattennadel zum Vorschein gebracht, die Blausäuregas versprühte. Aber Sherlock Holmes lehnte alle Hilfsmittel ab.
    Nun ließ er unter den besorgten Blicken von Dwight, Quin und Major Liebestraum seine lange, ungelenke Gestalt durch ein Einstiegsloch in die dunklen Tiefen des Abwasserkanals fallen. Er landete auf den Zehen. Der Boden war völlig trocken, und seine Füße rührten Staub auf.
    Major Liebestraum streckte den Arm durch die Öffnung hinab, gab ihm ein aufmunterndes Zeichen mit aufwärtsgerichtetem Daumen und zog sich zurück. Der schwere Deckel fiel zu. Die Dunkelheit war vollkommen. Er war allein.
     
    Sherlock Holmes verspürte das vertraute Prickeln der Erregung im Rückgrat. Schließlich war er für Abenteuer wie dieses gemacht. Er schaltete die Taschenlampe ein, orientierte sich, wobei ihm zustatten kam, daß er sich den Plan des Abwasserkanals zuvor eingeprägt hatte und machte sich voll Zuversicht auf den Weg zum Spukhaus. Der Staub dämpfte die Geräusche seiner Schritte. Es gab keine anderen Fußabdrücke, und es war offensichtlich, daß er der erste war, der diesen Gang benutzte.
    Seine Wanderung verlief ohne Zwischenfall, dauerte jedoch länger als erwartet. Schließlich erreichte er eine Stelle, wo drei Abwasserrohre zusammenliefen. Ohne zu zögern, wählte er das linke, und dort, eingelassen in den Beton, waren die Rungen einer Eisenleiter. Er richtete den Lichtkegel der Lampe auf das

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