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Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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schon fest, wo das Verbrechen sich abgespielt hatte. Hinter drei Fenstern unten links sah Hanne Menschen in weißen Overalls und mit Haarnetzen, die sich hin und her bewegten, energisch und offenbar zielstrebig. Jemand zog einen Vorhang vor.
    Hanne wurde von hinten umarmt und hochgehoben.
    »Ja, Scheiße«, grölte Billy T. »Du hast zugenommen!«
    Sie versetzte ihm mit dem Stiefelabsatz einen Tritt gegen das Schienbein.
    »Au! Du hättest ja wohl was sagen können.«
    »Und du brauchst mich nicht immer hochzuheben. Darum hab ich dich schon tausend Mal gebeten.«
    »Das sagst du nur, weil du immer fetter wirst«, grinste er und schlug ihr freundschaftlich auf die Schultern. »Früher hast du dich nie beklagt. Nie. Da hat es dir gefallen.«
    Der Schnee fiel jetzt dichter, in leichten, lockeren Flocken.
    »Ich finde nicht, daß du dicker geworden bist«, sagte Silje rasch, aber Hanne stand schon fast auf der anderen Straßenseite.
    »Gehen wir rein«, murmelte sie und merkte, daß ihr vor Angst schlecht geworden war.
    Der Älteste der vier Ermordeten erinnerte an das berühmte Bild von Albert Einstein. Die Leiche lag auf dem Flur, mit einer Hand unter dem Kopf, als habe sie es sich richtig gemütlich machen wollen. Die Haare umgaben den kahlen Schädel als üppiger Kranz. Mitten auf dem Kopf ragte ein einzelnes Büschel auf. Und die Zunge hing aus dem Mund, ganz unnatürlich weit sogar. Er hatte die Augen weit aufgerissen.
    »Das sieht ja aus, als ob der Bursche einen Schock erlitten hätte. Einen Elektroschock!«
    Billy T. beugte sich neugierig über den alten Mann.
    »Aber da ist ja auch noch das hier.«
    Er zog einen Kugelschreiber hervor und wies auf ein Einschußloch unter dem linken Auge. Es war nicht gerade groß und eher schwarz als blutrot.
    »Und das. Und das.«
    Der Arzt, der offenbar das Hemd des Toten behutsam beiseite geschoben hatte, winkte Billy T. fort. Hanne konnte zwischen der spärlichen grauen Körperbehaarung zwei weitere Wunden erkennen.
    »Wie viele Schüsse waren es eigentlich?« fragte sie.
    »Kann ich noch nicht sagen«, erwiderte der Arzt kurz. »Viele. Wenn ihr mich fragt, dann brauchen wir hier einen Pathologen. Wird höchste Zeit, daß ihr mit der Gerichtsmedizin einen brauchbaren Dienstplan abmacht. Ich kann nur sagen, daß diese Leute hier tot sind. Ich glaube, den da hat es am schlimmsten getroffen.«
    Hanne Wilhelmsen wollte »den da« eigentlich nicht ansehen. Sie mußte sich dazu zwingen, um den alten Mann herumzugehen und die mit einem Mantel bekleidete Leiche genauer zu betrachten. Einer von der Spurensicherung stieß ein verstimmtes Grunzen aus, er konnte es nicht ertragen, wenn die Ermittler am Tatort herumtrampelten.
    Hanne achtete nicht auf ihn. Als sie sich über die der Wohnungstür am nächsten liegende Leiche beugte und sah, daß von der Wunde in der Schläfe alles ausgetretene Blut abgeleckt worden war, verstärkte sich ihre Übelkeit. Rasch richtete sie sich auf, schluckte und zeigte auf den dritten Toten. Sie schätzte sein Alter auf vielleicht vierzig.
    »Preben«, stellte Billy T. vor. »Der Älteste von Papa Hermann da hinten. Soweit wir wissen zumindest.«
    Die Arme lagen eng und gerade am Körper an, als habe der Sohn des Hauses vor dem Aufprall auf den Boden noch zu einem militärischen Salut ansetzen wollen. Sein Hemd war hellblau und wies in Höhe der Brusttasche zwei kleine Einschußlöcher auf. An der Schulter waren dunkle, fleischige Wunden erkennbar.
    Der Arzt nickte fast unmerklich.
    »Ich habe ihn mir noch nicht näher ansehen können. Der Hund hat da wirklich kräftig zugelangt … falls es sich um einen Hund handelt.«
    »Komm!«
    Billy T. winkte sie zur Küche, die hinten in der großen, dunklen Diele lag. Er sah komisch aus in dem weißen Overall, den grünen, über die Schuhe gezogenen Socken und dem viel zu engen Papiernetz auf dem Kopf.
    Am Spülbecken lehnte eine Frauenleiche. Sie war kahl. Neben ihr auf dem Boden lag eine Perücke. Der Schädel der Frau war bleich und mit Narben übersät. Sie trug ein elegantes rosafarbenes Kleid, und ihre Augen waren weit geöffnet, scharf und fast vorwurfsvoll. Ein verwirrter junger Polizist machte einen unbeholfenen Versuch, ihr die Perücke wieder überzustülpen, und wurde von Billy T. zurückgehalten.
    »Spinnst du, oder was? Nicht anfassen! Verdammt, was hast du hier überhaupt zu suchen? Dieser Ort ist wirklich überbevölkert!«
    Gereizt machte er sich daran, die Spreu vom Weizen zu trennen. Hanne blieb

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