Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
vorbeischaut. Sie war seit ein paar Tagen nicht mehr hier, behauptet Frau Kvalheim. Und um ehrlich zu sein …«
Silje lächelte kurz.
»… glaube ich, daß Frau Kvalheim so ungefähr alles weiß, was hier in der Straße passiert. So eine richtig aufmerksame Nachbarin mit viel Interesse für ihre Mitmenschen.«
»Schön für uns«, sagte Hanne. »Was hat sie heute abend gesehen?«
»Leider gar nichts. Sie ist um sieben zum Bingo gegangen und vor einer Stunde zurückgekommen. Und da waren wir ja schon hier.«
Hanne schnitt eine Grimasse.
»Und die anderen Wohnungen?«
»Gegenüber«, Silje hob den Daumen, dann blätterte sie weiter in ihrem Block, »da wohnt ein gewisser Henrik Backe. Alter, übellauniger Mann. Ich habe mit ihm gesprochen, und er war reichlich angetrunken. Stocksauer, weil wir soviel Lärm machten. Er hat mich nicht reingelassen.«
»Er hat dich nicht reingelassen? Du hast gar nicht mit ihm geredet und ihn einfach in Ruhe gelassen?«
»Nicht doch, Hanne. Reg dich nicht so auf. Jetzt gerade sind zwei Beamte bei ihm. Bisher weiß ich nur, daß er behauptet, den ganzen Abend zu Hause gewesen zu sein und nichts gehört zu haben.«
»Das kann doch nicht sein«, rief Billy T. »Schau dich doch um. Das muß ja wie die Hölle geknallt haben!«
»Ob das sein kann oder nicht, wissen wir ja wohl noch nicht«, sagte Silje leicht gereizt. »Der Typ kann doch einen Schalldämpfer benutzt haben. Und auf jeden Fall holen die Jungs Henrik Backe heute nacht noch zur Vernehmung, da kann er protestieren, soviel er will. Dann werden wir ja sehen.«
»Wer hat uns eigentlich informiert?«
»Ein Typ, der ganz zufällig vorbeikam. Den werden wir natürlich auch noch überprüfen, aber das war ein jüngerer Mann, der einfach nur …«
»Schon gut. Alles klar.«
Hanne ertappte sich bei der Überlegung, wie groß die Wohnung wohl war. Das Wohnzimmer mußte über siebzig Quadratmeter messen, auf jeden Fall, wenn man den nach hinten gelegenen Wintergarten dazuzählte. Die Möbel hatten etwas Erdrückendes, aber sie waren schön, wenn sie jedes Stück gesondert betrachtete. Vor einer Längswand thronte ein Büfett aus schwarzem Eichenholz mit geschnitzten Spiegeltüren und Glasfenstern vor den oberen Fächern. Um den Eßtisch herum stand ein Kreis von zwölf Armsesseln. Neben der Manilagruppe im Wintergarten fanden hier noch drei weitere Sitzgruppen Platz. Nur eine schien häufiger benutzt worden zu sein. Die Polster der Möbel vor dem Fernseher waren sichtlich abgenutzt. Die Gemälde an den Wänden schienen alle echt zu sein, und alle zeigten nationalromantische oder maritime Motive. Vor allem ein unmittelbar bevorstehender Schiffbruch an der Wand zur Küche fiel Hanne auf. Sie trat näher.
»Peder Balke«, sagte sie halblaut. »Meine Güte.«
Die Eiswürfel im Sektkühler waren schon längst geschmolzen. Hanne studierte das Etikett, ohne die Flasche zu berühren.
»Das ist doch was für dich«, sagte Billy T. »Sauteuer.«
»Wissen wir eigentlich irgend etwas Wichtiges?«, fragte Hanne, ohne ihren Blick von der Flasche zu lösen. »Zum Beispiel, was sie feiern wollten?«
»Vielleicht wollten sie einfach nur gemütlich zusammensein«, sagte Silje Sørensen. »Es ist doch bald …«
»Bis Weihnachten sind es noch fünf Tage«, fiel Hanne ihr ins Wort. »Das hier ist ein ganz normaler Donnerstag. Diese Flasche da kostet im Laden achthundertfünfzig Kronen. Das ist zuviel bloß für einen netten Abend. Die wollten etwas feiern. Und zwar irgendwas Großes.«
»Wir wissen doch nicht …«
»Schau mal her, Silje.«
Hanne zeigte auf den Fernseher. Der Schirm war zur Hälfte von Holzlamellen verdeckt, der ganze Apparat war ein schweres Möbelstück aus Mahagoni oder Teak.
»Der Fernseher ist mindestens dreißig Jahre alt. Das Sofa ist so abgenutzt, daß du die Kettfäden sehen kannst. Die Bilder … das da jedenfalls …«
Sie zeigte auf den Peder Balke.
»Das ist ziemlich wertvoll. Im Kühlschrank gibt es nur drei Sorten Brotbelag: Käse, Leberwurst und Marmelade. In der Vitrine da hinten stehen dagegen Gläser, die ein Vermögen wert sind. Diese Wohnung hier muß ihre sieben, acht Millionen wert sein. Mindestens. Sein Pullover …«
Sie drehte sich um und schaute kurz zur Diele hinüber, wo Hermann Stahlberg gerade auf eine Bahre gelegt wurde.
»… stammt von irgendwann aus den siebziger Jahren. Sauber, ordentlich und doch an den Ellbogen gestopft. Was sagt dir das alles?«
»Geizkragen«, sagte
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