Die Wahrheit stirbt zuletzt
sie glücklich? Ich weiß es nicht.
Ihr letzter Geliebter – ein Kopenhagener Dichtertalent von gerade mal fünfundzwanzig Jahren – war dagegen am Boden zerstört und zu Tode erschrocken, als sie in seinen Armen starb. Aber er bemerkte bald, dass ihrem Dahinscheiden eine gewisse poetische Kraft innewohnte. Sein Beitrag dazu, dass ihr Herz so schwer belastet wurde, ließ sich ja durchaus als makabres Kompliment für seine potente Lebenskraft auslegen. Das berühmte Gedicht »Der Liebesritt des Todes« dieses jungen Poeten gehörte jahrelang zum Lernstoff im Gymnasium, ist heute aber wohl ebenso vergessen wie der Dichter selbst.
An jenem Tag trieb Gott sein Spiel mit uns.
Marie starb am 10. Juni 1958. Das war der Tag, an dem Bertil mir die Geschichte von Mads und seinem Ende im zerstörten kriegskalten Teruel erzählte und ich endlich Gewissheit und ein wenig inneren Frieden erlangte.
Außerdem ist der 10. Juni auch mein Geburtstag.
Ich wünschte, ich würde an die nordischen Götter und ihre Worte glauben, dass Feinde und Freunde einander in Walhalla bei einem ewig währenden Festmahl wiederbegegnen, aber die Gabe habe ich nicht.
Ich denke an das Grab in Teruel, wo die Liebenden in zwei Sarkophagen nebeneinander ruhen. Auf den Sarkophagdeckelnsind die beiden Liebenden als hübsche Reliefs abgebildet. Sie trägt ein elegantes Kleid. Er ist teilweise von einem Tuch bedeckt, das vorteilhaft über seinen muskulösen Körper fällt. Sie sehen jung und schön aus in ihrem ewigen Tod. Die beiden Sarkophage sind durch einen kleinen Abstand voneinander getrennt, über den sie sich ihre Hände entgegenstrecken.
Auf den ersten Blick sieht es aus, als hätten sie einander im Tod endlich an den Händen fassen können, aber das ist eine Illusion. Denn wenn man genau hinsieht, bemerkt man, dass ihre Hände durch einen winzig kleinen Spalt voneinander getrennt sind. Nicht einmal im Tode sind sie vereint.
Ich strecke meine Hand nach Irina aus, wie ich es im Traum häufig tue. Sie steht in ihrer Khakihose und ihrem Hemd mit der Kamera um den Hals in einer ausgedörrten gelben spanischen Landschaft und lacht und streckt ihre Hand nach mir aus. So stehen wir gemeinsam da, bis sie in einem ewigen Dunkel verschwindet. In dem ewigen Dunkel, das mich jetzt erwartet, hoffe ich, endlich meine Hand in ihre legen zu können.
Denn mein heutiger Geburtstag wird mein letzter sein. Die Nachrufe können in den Druck gehen. Magnus Meyer weilt schon bald nicht mehr unter den Lebenden.
Hintergrundinformationen und Danksagung
S eit meiner Jugend habe ich mich für den Spanischen Bürgerkrieg interessiert und unzählige historische Darstellungen, Erinnerungen, Romane und journalistische Berichte über ihn und die Internationalen Brigaden gelesen. Es begann 1967, als ich unterschreiben musste, dass ich nicht Mitglied des Thälmann-Bataillons oder anderer kommunistischer Deckorganisationen gewesen bin, um als Austauschschüler ein Visum für die USA zu bekommen.
Die spanischen Goldreserven und die Frage, was aus ihnen geworden ist, haben mich schon immer fasziniert. Es sind immerhin die viertgrößten Gold- und Silberreserven der Welt, die vom spanischen Territorium verschwunden und schließlich in Moskau gelandet sind. Sind sie das wirklich? Und wenn ja, waren sie auch vollständig?
Es würde zu weit führen, hier alle Bücher zu nennen, die ich im Laufe der Jahre gelesen habe, aber ich möchte einige wenige anführen, die bei der Recherche für diesen Roman besonders hilfreich waren und die möglicherweise Lust machen, mehr über den Spanischen Bürgerkrieg zu lesen.
Unter den allgemeinen Darstellungen des Spanischen Bürgerkrieges bevorzuge ich persönlich Hugh Thomas’ Klassiker ›The Spanish Civil War‹. 1 Eine andere allgemeine Einführung, die weniger detailliert, aber ebenfalls sehrlehrreich ist, ist Antony Beevors Buch mit demselben Titel. 2
Was die etwa fünfhundert dänischen Spanienfreiwilligen betrifft, habe ich mich auf drei Bücher gestützt. Das erste ist ›De danske spaniensfrivillige‹ 3 des dänischen Freiwilligen Leo Kari. Leo Kari hat außerdem noch einen Roman mit dem Titel ›Bag Spaniens bjerge‹ 4 verfasst, in dem er in fiktiver Form seine Erlebnisse in Spanien schildert.
Außerdem habe ich das Buch ›Fra Bjelkes Allé til Barcelona. Danske frivillige i Spanien 1936–39‹ 5 des Historikers Carsten Jørgensen benutzt. Es enthält viele Auszüge aus Briefen, die die dänischen Freiwilligen nach Hause
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