Die Wahrheit über Geld - Wie kommt unser Geld in die Welt und wie wird aus einem Kleinkredit ein großer Finanzcrash (German Edition)
machen. Damit soll die Geldproduktion zu hundert Prozent in die Hände der Notenbank gelegt werden, die zurzeit nur die kleinere Menge an Bargeld ausgibt. Die viel größere Menge an Buchgeld wird momentan von den Geschäftsbanken in Umlauf gebracht.
Hinter der Vollgeld-Empfehlung steht die Vorstellung, dass die Geldproduktion hauptsächlich durch die unkontrollierte Geldschöpfung der Geschäftsbanken aus den Fugen gerät und damit zu wiederkehrenden Krisen führt. Eine Währungsbehörde nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank, die die Geldherstellung streng kontrolliert, könne dies verhindern, meinen vor allem jene Vollgeld-Befürworter, die aus Deutschland stammen.
Dieser Vorschlag befasst sich – ohne es explizit auszusprechen – mit dem Titanic-Effekt, der sich aus dem Bruchteil-Bankgeschäft ergibt und den wir tatsächlich als einen destabilisierenden Faktor ausgemacht haben. Die Empfehlung entspräche in ihrer Wirkung einer – ebenfalls denkbaren – Verpflichtung der Geschäftsbanken, Einlagen auf Girokonten zu hundert Prozent mit Zentralbankgeld zu unterlegen statt nur zu einem Prozent wie derzeit im Euroraum. Damit wären immerhin die Risiken gebannt, die sich aus dem Missverhältnis zwischen der Zahl an Passagieren und der Zahl an Rettungsboten ergeben (siehe den Abschnitt „Augen auf an Deck!“).
Doch halt – wirklich alle Risiken? Keineswegs, da sich die Vollgeld-Therapie nur auf das Geld auf den Girokonten erstreckt. Schon Tagesgeldkonten, deren Guthaben ebenfalls täglich fällig werden, wären davon nicht erfasst, geschweige denn Termin- und Spareinlagen. Ohnehin wäre eine Einbeziehung all dieser Einlagen kaum praktikabel. Folglich würde das Vollgeld die Risiken, die sich aus dem Bruchteil-Bankgeschäft ergeben, nur teilweise entschärfen.
Gar keinen Einfluss hätte die Vollgeld-Therapie auf einen weiteren Haupt-Krisenfaktor: den Onkel-Dagobert-Effekt und das achte Weltwunder. Mit diesem Problem, also dem systembedingten Wachstumsdruck für Geld und Schulden, der sich aus dem Anhäufen von Geldvermögen und dem Zinseszinseffekt speist, befasst sich der Vollgeld-Vorschlag überhaupt nicht.
Dafür nimmt er aber wiederum den letzten der drei Krisenfaktoren ins Visier: die übermäßige Geldproduktion, die sich aus der Leichtigkeit der Geldherstellung ergibt. Die Bekämpfung dieses Übels ist sogar erklärtes Hauptziel der Vollgeld-Unterstützer. Sie gehen allerdings davon aus, dass die Geschäftsbanken die hauptsächlichen Übeltäter sind. Nach unserer Erkenntnis ist dies fraglich, da auch die Notenbanken in den vergangenen Jahrzehnten einen erheblichen Beitrag zur weltweiten Geldschwemme geleistet haben.
Aber immerhin: Mit den Geschäftsbanken würde ein wesentlicher Mitverursacher in die Schranken gewiesen, was das Geldmengenwachstum durchaus bremsen könnte. Die Vollgeld-Therapie scheint also dazu geeignet, zumindest in diesem Punkt Linderung zu bringen. Die grundsätzliche Problematik des systembedingt „ewigen“ Geld- und Schuldenwachstums beseitigt das Vollgeld jedoch nicht.
Außerdem sehen wir das Risiko, dass der Staat die alleinige Lizenz zum unbegrenzten Gelddrucken im Zweifelsfall schamlos nutzen würde. Eine „unabhängige“ Währungsbehörde zur Überwachung und Begrenzung der Geldproduktion, wie sie sich die deutschen Vollgeld-Verfechter vorstellen, mag auf dem Papier zwar überzeugend aussehen. In der Praxis könnte sie aber zum Papiertiger werden, denn letztlich wird eine solche Einrichtung weniger von ihren Statuten geprägt als von den Menschen, die sie führen.
Am Beispiel der EZB lässt sich das gut veranschaulichen: Hinsichtlich ihrer Statuten ist sie eigentlich so ausgerichtet wie früher die Deutsche Bundesbank. Die Menschen, die sie „leben“, sind aber vollkommen anders – mit anderer Nationalität und Mentalität. Und deshalb agiert die EZB auch anders als die Bundesbank, was seit dem Ausbruch der Eurokrise besonders deutlich wird.
Das heißt: Allein auf Deutschland bezogen würde eine Vollgeld-Währungsbehörde vielleicht noch halbwegs so stabilitätsgetreu arbeiten, wie es sich ihre Förderer vorstellen. Aber schon mit einem Präsidenten etwa vom Schlage eines Mario Draghi an der Spitze und mit Franzosen, Spaniern, Griechen, Portugiesen, Maltesern und Zyprioten in seinem Schlepptau sähe es vermutlich anders aus.
Zusammenfassend würde sich die Vollgeld-Therapie auf die drei von uns identifizierten Hauptrisiken wie folgt auswirken:
1.Leichtigkeit
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