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Die Wand

Titel: Die Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlen Haushofer
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gefüttert hatte, brach ich auf in die Schlucht. Es war dort noch ganz dunkel und kalt. Das Wasser rann in eiligen Rinnsalen von den Felsen und versickerte auf der Straße. Ich mußte langsam gehen, um nickt über die Steine zu stolpern, die der letzte Wolkenbruch ausgewaschen hatte. Die Straße schien in einem erbärmlichenZustand zu sein. Das Schmelzwasser hatte schon im Frühling tiefe Furchen gezogen, und auf der Bachseite war das Erdreich stellenweise abgebröckelt und ins Wasser gefallen. Ich mußte im Herbst die Straße in Ordnung bringen, ehe der Winter sie ganz zerstören konnte. Ich hätte es längst tun sollen, aber ich hatte mich davor gedrückt. Dafür gab es gar keine Entschuldigung, und es geschah mir recht, wenn ich mir in der Morgendämmerung beinahe die Beine brach. Auf der Wiese angekommen, holte ich die Sense aus dem Stadel und fing an, sie zu dengeln. Das eiskalte Bachwasser vertrieb den letzten Schlaf. Als ich zu mähen begann, war es fast hell. Die Sense rauschte durch das Gras, und die feuchten Schwaden sanken nieder. Ich merkte deutlich, um wieviel besser ich mähen konnte, weil ich ausgeruht war. Ich mähte etwa drei Stunden, und dann war ich doch sehr müde. Luchs kroch aus dem Stadel, in dem er geschlafen hatte, und ging mit mir zur Hütte zurück. Ich legte mich ins Bett zur Katze, die sich brummend an mich schmiegte, und schlief gleich wieder ein. Die Hüttentür stand offen, und die Sonne schien leuchtend gelb auf die Schwelle. Luchs hatte sich auf der Hausbank niedergelassen und döste in der ersten Wärme ein. Ich schlief bis mittags, dann aß ich eine Kleinigkeit und ging wieder auf die Wiese, um das Gras umzuwenden. Als ich zurückkam, war die Katze weggegangen und hatte das Fleisch aufgefressen. Es war mir recht so, denn ich wollte ihre Enttäuschung nicht sehen, wenn ich sie wieder verlassen mußte.
    Gegen sieben Uhr waren wir auf der Alm, und ich ging sofort in den Stall, um Bella und Stier zu befreien. Ich pflockte Bella an und ließ sie über Nacht im Freien. Dann wusch ich mich am Brunnen, trank warme Milch und legte mich nieder.
    Am folgenden Tag molk ich Bella wieder am Nachmittag und sperrte sie und Stier in den Stall. Ich schlief im Jagdhaus, und die Katze kam und schmiegte sich an meine Füße. Ich hatte eine Flasche Milch mitgebracht, und die Katze bedankte sich mit vielen Buckeln und Kopfstößen. Am Morgen mähte ich wiederum ein großes Stück, legte mich aber nicht wieder hin, sondern wendete das am Vortag gemähte Gras ein zweites Mal. Es war halb trocken und roch süß und mild. Am Nachmittag konnte ich schon einen Teil in den Stadel bringen und das Gras, das ich am Morgen gemäht hatte, umwenden.
    Mit dieser neuen Einteilung kam ich rasch vorwärts. Solange der Mond wuchs, blieb das Wetter heiß und schön. Ich wollte diesmal auch eine angrenzende Wiese zum Teil ernten, weil ich nicht wieder mit dem Heu knapp werden wollte. Aber das Wetter schlug um, als ich mit der großen Wiese fertig war, und es regnete mit tageweisen Unterbrechungen eine Woche lang. Es war ein angenehmes Wetter, das die Almwiese in neuer Frische wachsen ließ, aber kein Wetter zum Heuen. So wartete ich eben, der Großteil der Ernte war ja eingebracht, und ich brauchte mir keine Sorgen zu machen. Meine Beine waren ohnedies wieder in schlechter Verfassung. Ich wickelte sie in nasse Tücher und legte mich auch bei Tag hin, wenn es mir möglich war. Luchs war zuerst unzufrieden mit meiner Unbeweglichkeit, ich zeigte ihm aber meine kranken Beine und erklärte ihm das Ganze, und schließlich schien es ihm sogar einzuleuchten. Er strich allein auf der Wiese umher, blieb aber immer in Rufweite. Er gab sich damals dem Vergnügen des Mäuseausgrabens hin. Der Wetterumschlag war zur rechten Zeit gekommen. Ich konnte meine Beine zwar nicht auskurieren, aber sie erholten sich doch so weit, daßich nach dieser Pause die Heuarbeit wiederaufnehmen konnte. Die Ernte der kleineren Wiese dauerte eine Woche. Diesmal nahm die Katze mein Erscheinen gelassener auf, und ich hoffte, sie ein wenig ermutigt zu haben. Wahrscheinlich brauchte sie das gar nicht, aber für mich war schon der Gedanke beruhigend.
    Der Sommer war merkwürdig rasch vergangen, nicht nur in meiner Erinnerung. Ich weiß, daß er mir auch damals sehr kurz erschien. In diesem Jahr war der Himbeerschlag noch mehr von Unterholz bewachsen, und ich fand nur einen Eimer Beeren, besonders große, aber nicht sehr süße Früchte. Für mich waren sie

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