Die Wanderapothekerin 1-6
machen brauchte. Da streifte ihr Blick Thomas, und sie las für einen Augenblick einen höhnischen Ausdruck in seinen Augen.
Als sie auch noch eine winzige Messerspitze Salz und etwas Zucker probiert hatte, wandte sie sich an den Vorkoster. »Du wirst die Speisen Ihrer Erlaucht nicht mehr hier in der Küche, sondern in den Gemächern der Herrin probieren!«
»Das wird nicht möglich sein, da die Gräfin meinen Anblick nicht erträgt.« Thomas’ Hand wanderte zu der Binde über seinem linken Auge.
»Du musst es auch nicht vor ihren Augen tun, sondern im Ankleidezimmer. Danach werden wir die Speisen zu zweit übernehmen und Ihrer Erlaucht bringen.«
Der Tonfall der Mamsell ließ keinen Widerspruch zu. Dies spürte auch Thomas. Sichtlich verärgert zog er einen Löffel aus einem Etui, steckte diesen in die für die Gräfin bestimmte Suppe und rührte darin herum.
»Das sollst du in den Gemächern Ihrer Erlaucht machen!«, fuhr die Mamsell ihn an.
»Jaja!«, knurrte der Mann und stellte die kleine Terrine auf das Tablett. Den Löffel ließ er in der Suppe.
Von den anderen unbemerkt, nahm Klara einen anderen Löffel an sich und versteckte ihn im Ärmel, um im Schlafzimmer der Gräfin noch einmal vorzukosten. Nachdem der Koch auch die leichte Gemüsespeise und etwas Weißbrot auf das Tablett gelegt hatte, hob die Mamsell es auf und ging zur Tür. Dort hielt sie noch einmal kurz inne.
»Komm mit!«, sagte sie zum Vorkoster.
»Sehr wohl!«, antwortete dieser mit einem gewissen Spott und folgte ihr.
Als Letzte setzte Klara sich in Bewegung und horchte dabei in sich hinein. Obwohl sie alle Zutaten probiert hatte, spürte sie nicht die geringste Wirkung. Sie wusste nicht viel über Arsen, glaubte aber nicht, dass die Speisen bereits vergiftet wären. Auf welchem Weg gelangt es dann hinein?, überlegte sie verzweifelt. Hatte entweder die Mamsell oder die Zofe einen Meineid geschworen? Unwillkürlich blickte sie auf den Vorkoster. Für jemanden, der in den Diensten einer vom Tode bedrohten Person stand, wirkte er seltsam zufrieden.
Daher ließ sie ihn, als sie das Ankleidezimmer der Gräfin betraten, nicht mehr aus den Augen. Thomas nahm seinen Löffel, probierte ein wenig von der Suppe, dann das Gemüse und zuletzt das Brot. Nach ein paar Minuten wandte er sich an die Mamsell.
»Ich spüre nichts. Das Mahl Ihrer Erlaucht ist daher unbedenklich.«
»Warum probierst du nicht auch den Wein?«, fragte Klara, da Thomas die kleine Karaffe unberührt ließ.
»Ich habe den Wein bereits gekostet, als Anton ihn aus dem Fass gelassen hat«, antwortete er.
Klara erinnerte sich daran, dass die Kupferarbeiter nach ihren Mahlzeiten mit dem Trinken warten mussten, und wies auf den Wein.
»Trink!«, sagte sie leise, aber mit Nachdruck.
»Du hast mir gar nichts zu sagen!«, fuhr der Vorkoster sie an.
»Aber wenn ich es sage, wirst du es tun!« Nun schöpfte auch die Mamsell Verdacht, obwohl es ihr absolut widersinnig erschien.
»Nun ja.« Seufzend träufelte Thomas zwei Tropfen Wein auf seinen Löffel und steckte diesen in den Mund.
»Ist das nicht ein bisschen wenig?«, fragte Klara, zumal sie bei dem Mann keine Schluckbewegungen bemerkte.
»Seid ihr Weiber alle verrückt geworden?«, stieß Thomas hervor. »Ich habe dem gräflichen Geschlecht von Waldstein immer treu gedient und dabei sogar mein Auge eingebüßt! Außerdem habe ich mich als Einziger bereit erklärt, vorzukosten, als das Gerücht vom Gift die Runde machte.«
All das stimmte, und doch konnte Klara ihren Verdacht nicht einfach beiseiteschieben. Sie nahm jetzt den Löffel, den sie aus der Küche mitgenommen hatte, tauchte diesen in die Suppe und aß ein wenig davon.
»Was machst du da?«, rief Thomas erschrocken.
»Da ich vorhin bei den Zutaten kein Gift gespürt habe, will ich sehen, ob es jetzt noch immer so ist«, antwortete Klara und führte den Löffel zum Mund.
Thomas sah so aus, als wolle er ihn ihr aus den Händen schlagen, hielt dann aber still. Sein Blick flackerte jedoch, und er schob seinen Löffel verstohlen in das Etui.
»Die Suppe wird doch kalt«, sagte er knurrig.
Klara hatte auf einmal ein seltsames Gefühl und steckte sich einen Finger in den Mund, um zu erbrechen. Gerade noch rechtzeitig reichte die Mamsell ihr ein Tuch, so dass sie nicht den wertvollen Teppich beschmutzte.
»Gift?«, fragte sie.
Klara nickte. »Ich glaube, ja!«
»Wie willst du das merken? Das ist doch unmöglich! Ich habe die Suppe vorgekostet und fand sie
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