Die Wanderapothekerin 1-6
völlig in Ordnung. Du solltest diese impertinente Hausiererin aus dem Schloss weisen«, riet der Vorkoster der Mamsell.
Diese sah ihn an, dann Klara, die sichtlich blass neben ihr stand, und wusste nicht so recht, was sie tun sollte.
Unterdessen musterte Klara den Vorkoster und kniff die Augen zusammen. Seine Haut war ebenso glatt und rein wie die der kranken Gräfin. Jetzt erinnerte sie sich auch, dass ihr Vater einmal gesagt hatte, Damen höheren Standes nähmen winzige Spuren von Arsen zu sich, weil es ihnen eine schöne Haut verleihen würde. Mit einer energischen Bewegung wandte sie sich an Thomas.
»Da du die Suppe für gut befunden hast, hast du gewiss auch nichts dagegen, sie ganz zu essen.«
»Bist du völlig übergeschnappt?«, rief der Vorkoster erschrocken.
»Und danach wirst du diese Karaffe leeren«, fuhr Klara ungerührt fort. Gleichzeitig fragte sie sich, was sein würde, wenn er es tatsächlich tat. Sie hatte sich dann vor der Mamsell fürchterlich blamiert und sich zudem den Hass dieses Mannes zugezogen. War es das wert?
Noch während sie zweifelte, versetzte der Vorkoster ihr einen Stoß. Klara taumelte gegen einen Tisch und riss diesen um. Eine Vase zerschellte auf dem Boden, und sie selbst schlug sich das Knie an.
Unterdessen hatte Thomas die Mamsell gepackt und schleuderte sie durch den Raum. Bevor eine von beiden wieder auf die Beine kam und ihm folgen konnte, stürzte er in das Schlafgemach der Gräfin, schlug Emma nieder und bedrohte die Kranke mit einem Messer, das er unter seiner Kleidung verborgen gehalten hatte.
Klara kam ihm als Erste nach, prallte aber zurück, als er die Klinge gegen die Kehle der Gräfin drückte.
»Verdammtes Weibsstück! Du hast mir gerade noch gefehlt!«, fluchte er.
Unterdessen hatte auch die Mamsell sich aufgerafft und das Schlafzimmer betreten. »Was soll das, Thomas? Lass Ihre Erlaucht in Frieden!«
Der Mann lachte. »Warum sollte ich? Ich werde ihr die Kehle durchschneiden und mir das Geld verdienen, das Baron Ludwig mir für den Tod der Grafenfamilie angeboten hat.«
»Er lügt!«, klang da Marthas Stimme auf.
Sie hatte die zerschellende Vase gehört und war trotz des Verbots in die Gemächer der Gräfin eingedrungen. »Baron Ludwig hat nichts mit dem Tod der Grafenfamilie zu tun.«
»Woher willst du das wissen?«, fragte Thomas höhnisch.
»Ich weiß es eben!« Martha stellte sich vor das Fenster, blickte kurz hinaus und glaubte am Waldrand einen Schatten wahrzunehmen. Es konnte nur Baron Ludwig sein. Sie hatte ihn auf dem Weg vom Wirtschaftshof zum Schloss flüchtig dort gesehen und war froh, dass er bis jetzt ausgehalten hatte. Sie hob die Arme und bewegte beide mehrmals hin und her, um die Aufmerksamkeit des Barons zu erregen.
Unterdessen wies Klara mit anklagender Geste auf Thomas. »Wenn du Ihre Erlaucht umbringst, wird es dein eigenes Ende sein. Wir sind zu viert …«
»Weiber!«, höhnte er.
»Du wirst uns alle töten müssen, um zu entkommen!«, fuhr Klara fort.
»Genau das habe ich vor!«, sagte Thomas lachend. »Zuerst erledige ich die gräfliche Zuchtstute, anschließend euch vier, und dann sage ich ›Lebe wohl, Waldstein!‹. Finden wird mich hinterher keiner mehr.«
»Du wirst nicht entkommen«, erklärte Klara und hielt nach etwas Ausschau, das sich als Waffe verwenden ließ.
Die Mamsell stand mit hängenden Schultern im Raum und schüttelte ein ums andere Mal den Kopf. »Warum, Thomas? Warum hast du das getan? Die Herrschaft hat dir vertraut wie keinem Zweiten!«
»Vertraut!« Der Vorkoster spie diese Worte förmlich aus. »Sie haben erwartet, dass wir gehorchen und alles mit uns machen lassen. Ich habe den alten Grafen einst gebeten, ein Mädchen heiraten zu dürfen, und er hat mich ausgelacht! Kurz darauf hat sein ältester Sohn meine Auserwählte dazu gezwungen, seine Hure zu werden. Aber dafür hat er bezahlt!«
Bei den Worten wurde Emma blass. »Du meinst mich? Aber du hast nie gesagt, dass du mich haben willst!«
»Er fordert für sich dasselbe Recht, das er dem Grafen absprechen will, nämlich über andere zu bestimmen«, rief Martha aufgebracht. Dabei winkte sie erneut und hoffte, dass Baron Ludwig inzwischen gemerkt hatte, dass er hier gebraucht wurde.
»Der älteste Sohn des Grafen hat dafür bezahlt!«, wiederholte der Vorkoster. »Als er im Krieg verwundet wurde, sollte ich ihn pflegen. Es war für mich ein Leichtes, ihn sterben zu lassen.«
Bei den Worten lachte er auf eine Weise, dass sich bei Klara
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