Die Wanderapothekerin 1-6
aufrühren will«, gab Triberg zurück.
»Wie soll ich Euch Glauben schenken, wenn Ihr mir wesentliche Dinge vorenthaltet?« Mittlerweile hatte Martha jede Angst verloren und genoss es, einen Mann von Adel tadeln zu können, ohne dafür Schläge zu erhalten.
Triberg überlegte kurz und nickte. »Wahrscheinlich hast du recht. Es ging um den Tod meines Vetters …«
»Der ist doch erst im letzten Jahr vergiftet worden«, rief Martha aus.
»Nein, um seinen älteren Bruder! Mein Onkel hatte noch einen Sohn, und wir beide waren Kameraden im Krieg. Auf einem Feldzug wurde er verwundet, und ich musste ihn mit seinem Burschen Thomas zurücklassen und mit dem Heer weiterziehen. Als ich zu unserem Stützpunkt zurückkehrte, war mein Vetter tot. Von anderen Offizieren habe ich erfahren, dass Thomas sich kaum um ihn gekümmert und meistens im Wirtshaus herumgelungert hätte. Daraufhin stellte ich den Burschen zur Rede, und er antwortete mir frech.
Außer mir vor Wut, habe ich zugeschlagen und bedauerlicherweise sein linkes Auge so getroffen, dass er auf dieser Seite blind wurde. Danach habe ich mich wieder dem Heer angeschlossen. Als ich nach dem Ende des Feldzugs meinen Oheim aufsuchen wollte, um ihm meine Anteilnahme zu bekunden, überhäufte er mich mit Vorwürfen, dass ich um meines eigenen Ruhmes willen seinen Sohn hätte umkommen lassen.« Triberg verstummte einen Augenblick und kämpfte sichtlich mit seinen Gefühlen, bevor er weitersprach.
»Ich habe mich gegen diese Unterstellung verwahrt, doch Thomas war vor mir nach Hause zurückgekehrt und hatte mich bei meinen Verwandten verleumdet. In seinem Zorn verbot mir der Onkel, weiterhin den Namen Waldstein und den Grafentitel zu tragen, und wies mich von seinem Besitz.«
»Das ist eine üble Geschichte!«, fand Martha und dachte an den Vorkoster mit seiner Binde über dem linken Auge. Konnte er der Bursche des ältesten Grafensohns gewesen sein?
»Was wollt Ihr jetzt tun?«, fragte sie Triberg.
»Ich will denjenigen entlarven, der Gräfin Griselda das Gift beibringt. Den Arzt meines Oheims konnte ich davon überzeugen, dass ich unschuldig bin, und der nimmt an, dass die Morde mit Arsen ausgeführt wurden. Die Anzeichen gleichen denen einer Erkrankung der Lunge und des Herzens. Auch die Tatsachen, dass der Tod nicht sofort erfolgt und es zwischendurch so aussieht, als würde eine Besserung eintreten, sprächen dafür. Mit dem ersten Giftschub wird das Opfer so geschwächt, dass es lange Zeit dahinsiecht, mit einer weiteren starken Dosis wird es dann getötet. So war es bei meinem Oheim, meiner Tante und meinem Vetter. Das Gleiche hat der Mörder auch bei Gräfin Griselda vor. Er wird sie umbringen wollen, bevor sie ihr Kind zur Welt bringen kann.«
Martha nickte verstehend. »Das heißt, er wird nicht mehr lange zögern.«
»Das befürchte ich auch!«, erklärte Triberg. »Deshalb müssen wir rasch handeln. Irgendjemand im Schloss muss der Mörder sein.«
»Habt Ihr einen Verdacht?«, fragte Martha.
»Es könnte die Mamsell sein. Sie war in ihren jungen Jahren die Geliebte meines Oheims, doch auch die Zofe Emma darf nicht außer Acht gelassen werden. Sie ist nämlich mit meinen beiden Vettern ins Bett gestiegen. Selbst ich habe sie ein- oder zweimal besessen.«
»Aber deswegen bringt man doch niemanden um!«, fand Martha.
»Vielleicht gibt es einen Grund für sie, den wir nicht kennen.«
Martha schüttelte den Kopf. »Sie scheinen mir treu zu sein! Außerdem wollen beide nicht, dass Ihr der Erbe werdet.«
»Du sagst selbst, dass sie mich umbringen wollen. Vielleicht ist es das Ziel einer von beiden, die gesamte gräfliche Familie wegen irgendeiner Kränkung auszurotten! Außerdem sind sie die Einzigen, die das Schloss verlassen können, um sich das Gift zu besorgen.«
So leicht wollte Triberg sich nicht von seinem Verdacht trennen, doch Marthas Gedanken gingen ganz andere Wege.
»Die Mamsell und die Zofe überwachen einander gegenseitig. Irgendwann hätte die eine die andere erwischt.«
»Dann ist es der Koch! Auch er kann das Schloss verlassen, um einzukaufen.«
Martha hätte es gerne geglaubt, aber etwas sprach dagegen. »Die Speisen, die Ihre Erlaucht zu sich nimmt, werden nach dem Kochen vorgekostet. Der Koch hat danach keine Gelegenheit mehr, Gift hineinzutun.«
»Dann muss es tatsächlich die Mamsell oder die Zofe sein«, kam Triberg wieder auf seinen ursprünglichen Verdacht zurück.
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Martha. »Aber
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