Die Wanderapothekerin 1-6
wenn dieser bei der Steuerschätzung das eine oder andere Fässchen nicht angab, würde der Wirt solche Worte an die Obrigkeit weitermelden. Schickten die einen Brief nach Schwarzburg-Rudolstadt, würde Schneidt in Verdacht geraten, die Schuld am Verschwinden seiner Nichte zu tragen. Das durfte er nicht riskieren, und so beschloss er, die Angelegenheit ihren natürlichen Verlauf nehmen zu lassen. Wenn seine Nichte den Überfall durch die beiden üblen Kerle tatsächlich überlebte, konnte er sie immer noch beseitigen.
Im Verlauf des Abends bezahlte Schneidt den beiden Männern noch etliche Becher Wein und zwei große Stücke Braten. Als sie am nächsten Morgen aufbrachen, war er froh, so billig davongekommen zu sein. Seiner Nichte würde dies nicht gelingen.
4.
K lara verbrachte den ihr aufgezwungenen Ruhetag im Gasthof zum
Ochsen.
Dabei trug sie ihre schlechte Laune deutlich zur Schau und sprach kaum ein Wort. Zwar gaben ihr Tobias und Martha nicht den geringsten Verdacht auf Heimlichkeiten, dennoch war sie froh, als sie am nächsten Tag ihr Reff auf den Rücken nehmen und weiterziehen konnte. Martha folgte ihr frisch und fröhlich wie ein Vögelchen, während Tobias als Opfer widerstrebender Gefühle zu dem nächsten Apotheker auf seiner Liste aufbrach.
Viel lieber wäre er Klara gefolgt, um sie zu fragen, was ihr an ihm so missfiel. Damit aber hätte er sein Interesse an ihr verraten müssen, und das durfte er nicht. Sie war ein ausnehmend hübsches Mädchen, und er wünschte sich nichts sehnlicher, als sie einmal in den Armen zu halten. Doch wenn dies geschah, würde es damit nicht enden, und das wollte er ihr nicht antun.
Ich bin ein Trottel, schalt er sich selbst, weil ich mir so viele Gedanken um dieses unvernünftige, kleine Mädchen mache. Klaras Hartnäckigkeit imponierte ihm jedoch. Sie war niemand, der so einfach aufgab. In der Hinsicht konnten sich etliche Männer eine Scheibe von ihr abschneiden, zuallererst ihr Onkel, aber auch er selbst. Außerdem war sie geschickt, klug und mitfühlend, sonst hätte sie Martha ihrem Schicksal überlassen.
»Vater triebe mich mit der Peitsche aus dem Haus, würde ich sie ihm als Braut vorstellen«, murmelte Tobias vor sich hin und verachtete sich dafür, weil er nicht den Mut aufbrachte, es zu tun. Dabei wusste er nicht einmal, ob Klara überhaupt bereit wäre, ihn zu heiraten.
»Herr Tobias, das Fuhrwerk, mit dem Ihr weiterfahren wollt, steht bereit!«
Die Meldung des Knechts riss Tobias aus seinem Sinnnieren. Er war nicht nur unterwegs, um Klara zu folgen, sondern um im Auftrag seines Vaters Apotheker aufzusuchen und neue Absatzmärkte zu erschließen. Bislang war er überraschend erfolgreich gewesen, doch das lag auch daran, dass sein Vater nur die besten Zutaten für seine Arzneien nahm. Das hatte sich herumgesprochen und kam ihm nun zugute. In zwei Tagen, so hoffte er, würde er sich erneut ein Pferd leihen können, um hinter Klara herzureiten. Mit diesem Vorsatz nahm er seinen Mantelsack an sich, reichte dem Knecht eine Münze als Trinkgeld und verließ das Gasthaus.
Der Fuhrmann blickte ihm bereits ungeduldig entgegen. Tobias stieg zu ihm auf den Bock, grüßte freundlich und sah dann zu, wie der Mann die Peitsche schwang. Während die Pferde sich gegen die Stränge stemmten und der Wagen Fahrt aufnahm, sagte er sich, dass er lieber geritten wäre. Doch so viel Geld, sich ein Pferd für die gesamte Strecke auszuleihen oder gar eines zu kaufen, hatte er nicht bei sich. Zwar würde er sich noch einmal eines borgen, es aber samt dem Knecht, den ihm der Besitzer mitgab, zurückschicken, sobald er Klara eingeholt hatte. Den Rest des Weges würde er mit ihr zu Fuß zurücklegen. Vielleicht fand er dann auch heraus, weshalb sie sich ihm gegenüber so kratzbürstig benahm.
5.
O hne auch nur das Geringste von Tobias’ Gefühlen zu ahnen, schleppte Klara ihr Reff über die Straßen. Es war um einiges schwerer als sonst und drückte erbärmlich.
»Ich glaube, auf dieser Strecke werden wir öfter wechseln müssen«, sagte sie kleinlaut zu Martha.
»Das mache ich gerne!« Ihre Begleiterin hatte in ihrem Leben immer hart arbeiten müssen und hielt sich für kräftiger als Klara. Auch aus dem Grund wollte sie sie so viel wie möglich unterstützen.
Sie keuchte jedoch, als sie schließlich das Reff übernahm. »Länger als eine Stunde am Stück werde ich das nicht durchhalten. Du solltest es auch nicht tun, sonst kommst du noch zu Schaden.«
»Zu dumm, dass
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