Die Wanderapothekerin 1-6
zusammen, dann aber sah sie ihn mit rebellischer Miene an. »Es war nicht meine Absicht, Euch warten zu lassen. Ihr hättet ruhig Eurer Wege gehen können.«
Da entdeckte Tobias Klaras Onkel und zog die Stirn kraus. »Du bist noch da, Schneidt? Ich dachte, du wärst schon wieder unterwegs.«
»Die Sorge um meine Nichte hat mich zurückgehalten«, antwortete Schneidt brummig.
Tobias nickte unwillkürlich und bedachte ihn mit einem herrischen Blick. »Es sei, wie es sei! Doch auf dem Markt in Gernsbach wird Klara ihren Stand aufschlagen. Du hattest schon zweimal Gelegenheit, unterwegs zusätzliches Geld zu verdienen.«
Dazu wird sie wohl kaum mehr kommen!, dachte Alois Schneidt kochend vor Wut.
Einen Augenblick befürchtete er, er hätte seine geheimsten Gedanken laut ausgesprochen. Doch weder Tobias noch seine Nichte oder deren Begleiterin schienen etwas gehört zu haben. Martha sah er als zusätzliches Problem an. Mit Klara fertigzuwerden, war gewiss nicht schwer, doch zu zweit konnten die beiden Mädchen ihm Widerstand leisten. Dann bestand die Gefahr, dass ihm zumindest eine von ihnen entkam, und das durfte er nicht riskieren. Ihm fiel jedoch keine andere Lösung ein, als Klara und deren Begleiterin abzufangen, und dafür benötigte er einen gewissen Vorsprung.
»Da ich Klara in Sicherheit weiß, werde ich morgen weiterziehen. Meine Nichte aber sollte sich einen oder zwei Tage erholen, bevor sie das Reff wieder auf den Rücken nimmt. Die letzte Strecke ist die härteste, denn sie wird mehr tragen müssen als auf jenen, die sie bereits bewältigt hat.«
Schneidt sprach die Wahrheit, denn hier im
Ochsen
befand sich die letzte Kiste mit Justs Arzneien, und sie mussten daher auch das, was sie auf dem Markt in Gernsbach verkaufen wollten, auf ihre Reffs verteilen.
»Ich finde auch, dass Klara frische Kraft schöpfen sollte«, erklärte Tobias, denn ihm kam das Mädchen schmaler vor als früher.
Weder er noch Schneidt ahnten, dass Klara seit dem Verlassen von Schloss Waldstein so schnell wie möglich gegangen war, um wenigstens einen Teil der verlorenen Zeit einzuholen. Dies war ihr auch ganz gut gelungen. Nun aber fühlte sie sich zutiefst erschöpft und sehnte sich nach Ruhe. Aber der Gedanke, Tobias könnte Martha wieder in sein Zimmer nehmen, ließ sie die Stacheln aufstellen.
»Da ich mich auf dieser Strecke verspätet habe, werde ich ebenfalls morgen weiterziehen.« Ihr Ton ließ keinen Zweifel daran, dass es so geschehen würde.
Tobias überlegte, ob er es ihr verbieten sollte. Doch sie war weder ein Familienmitglied noch seine Magd oder die seines Vaters. Der Einzige, der sie aufhalten konnte, war Alois Schneidt.
»Sag doch du etwas!«, forderte Tobias diesen auf.
»Also, einen Tag sollte Klara schon rasten«, brachte dieser hervor.
»Gut! Einen Tag, aber nicht mehr!« Klara wusste nicht, ob sie richtig handelte, doch die Versuchung, das Reff einen Tag lang nicht tragen zu müssen, war groß. Allerdings würde sie dafür sorgen, dass Martha keine Gelegenheit fand, sich zu Tobias zu schleichen.
»Dann sei es so«, sagte Tobias. »Du bleibst morgen hier. Dein Oheim wird sich auf seinen Teil der Strecke machen, und ich wandere euch voraus, um mit einigen Apothekern zu sprechen. Wenn wir einen Teil unserer Arzneien an Apotheken verkaufen können, bringt das sicheren Verdienst. Es gibt nämlich immer mehr Laboranten und Wanderapotheker, doch die Strecken, die sie gehen können, vermehren sich nicht im gleichen Maße. Gebt also acht, wenn ihr von Königseern hört, die in denselben Dörfern ihre Waren angepriesen haben wie ihr!«
Alois Schneidt nickte mit verkniffener Miene. »Auf meiner Strecke muss sich so ein Kerl herumgetrieben haben. Deshalb habe ich auch nicht so viel verkauft wie sonst!« Zwar hatte er nicht den geringsten Anhaltspunkt für einen Wanderapotheker auf seinem Weg, doch es war eine gute Ausrede für ihn, nicht so viele Arzneien an den Mann und die Frau gebracht zu haben.
»Was sollen wir machen, wenn wir einem solchen Buckelträger begegnen?«, fragte Klara.
»Sag ihm, dass allein die Wanderapotheker meines Vaters das Privileg besitzen, hier Arzneihandel zu treiben, und er sich dorthin scheren soll, wo er über dieses Recht verfügt. Tut er es nicht, zeigst du ihn bei den nächsten Behörden an. Die werden ihn schon lehren, dass man eine Erlaubnis braucht, um Wanderhandel treiben zu können.«
Tobias hörte sich hart an, war aber im Recht. Sein Vater hatte einiges dafür bezahlt,
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