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Die Wanderapothekerin 1-6

Die Wanderapothekerin 1-6

Titel: Die Wanderapothekerin 1-6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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anstarren. Er trug sogar noch das Reff auf dem Rücken, war also gleich zu ihnen gekommen, ohne zuerst seine Frau und seine Tochter zu begrüßen.
    »Nein! Nein! Sag, dass das nicht wahr ist, Schwager!«, rief Klaras Mutter ein ums andere Mal.
    »Ich wollte, ich könnte es«, antwortete Alois Schneidt schließlich. »Aber ich habe über den Markt in Gernsbach hinaus noch eine ganze Woche auf den Jungen gewartet. Da ja bereits mein Bruder im letzten Jahr nicht von seiner Strecke zurückgekommen ist, bin ich Gerolds letztes Wegstück abgegangen und habe überall nach ihm gefragt. Doch ich fand nicht die geringste Spur von ihm. Daraufhin bin ich seinem Weg rückwärts gefolgt. An ein paar Stellen konnte man sich an ihn erinnern, doch weit kann er nicht gekommen sein. Einige der Leute, mit denen ich gesprochen habe, nehmen an, dass er Räubern wie dem Galljockel und dem Knüppelpeter zum Opfer gefallen ist, und andere meinten, die Franzosen hätten ihn bei einem ihrer Vorstöße umgebracht. In einem Ort hat man mir von einem kaiserlichen Regiment berichtet, das auf seinem Marsch jeden jungen Mann, den seine Werbeoffiziere fanden, unter seine Fahne geholt hätte.«
    Klaras Gedanken rasten, und sie zwang sie nur mühsam unter Kontrolle. »Aber du musst doch die Stelle gefunden haben, an der mein Bruder verschwunden ist, Oheim. Wenn er in einem Ort noch gesehen wurde und in dem nächsten nicht, so kann ihm nur dazwischen etwas zugestoßen sein.«
    »So einfach, wie du dir das einbildest, ist das nicht!«, fuhr Alois Schneidt sie an. »Ich hab euch doch gesagt, dass einige nicht wussten, ob sie ihn gesehen hatten oder nicht. Ich habe mir wahrhaftig Mühe gegeben und fast einen ganzen Monat lang nach Gerold gesucht. Er hätte niemals gehen dürfen! Nachdem schon mein armer Bruder im letzten Jahr verschwunden ist, habe ich ihn davor gewarnt. Ein Wanderapotheker zu sein ist ein hartes Brot, und wir werden nicht überall gerne gesehen.«
    Klara trat einen Schritt zurück, während sie versuchte, sich auf den Bericht ihres Onkels einen Reim zu machen. Gleichzeitig fragte sie sich, ob jemand aus ihrer Familie Gott so erzürnt haben mochte, dass er sie prüfte wie den biblischen Hiob. Sie war sich keiner Schuld bewusst, und sie glaubte, für ihre Mutter und die Geschwister ebenfalls die Hand ins Feuer legen zu können. Das änderte aber nichts daran, dass ihr Vater im letzten Jahr nicht von seiner Wanderung zurückgekehrt war und nun auch von ihrem Bruder jegliche Spur fehlte. Sie konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass ihr Onkel gründlicher hätte suchen sollen, auch wenn er das seinen Worten zufolge getan hatte.
    Während Klara ihren Gedanken nachhing, sank ihre Mutter in die Knie und rang die Hände. »Mein Herr und Gott, was haben wir nur getan, dass du uns so strafst?«
    »Selbst wenn du den Pfarrer fragst, wird er dir darauf keine Antwort wissen«, warf ihr Schwager ein.
    Klara kniff verwundert die Augen zusammen. Hatte in den Worten des Onkels etwa Spott mitgeklungen? Ihr Vater war mit seinem Bruder doch stets gut ausgekommen. Nach dessen Verschwinden allerdings hatte der Onkel sich mit ihrem Bruder und der Mutter zerstritten. Trotzdem war er pünktlich im Frühjahr erschienen und hatte Gerold bei den Vorbereitungen für die Wanderung mit Rat und Tat zur Seite gestanden.
    Klara bedauerte, dass sie nicht wusste, worum es bei dem Streit gegangen war, erinnerte sich aber, das Wort Gold vernommen zu haben. Als sie mehr hatte herausfinden wollen, war Gerold zornig geworden und hatte es abgelehnt, darüber zu reden. Er hatte es sogar der Mutter verboten.
    »Du wirst schon sehen, wohin dein Starrsinn dich bringt!«, hatte der Onkel ihn bei jenem Wortwechsel erbost angefahren.
    In Klaras Ohren hatte das wie eine Drohung geklungen. Sie vertrieb diesen Gedanken schnell wieder. Wenn ihnen jetzt noch einer helfen konnte, so war es der Bruder ihres Vaters. Sie hatte keine Vorstellung davon, wie es weitergehen sollte, und sie bezweifelte, dass die Mutter Rat wusste.
    »Was wird Herr Just dazu sagen? Er hat uns mehr als ein Viertel der Salben und Essenzen, die Gerold austragen sollte, auf Kommission überlassen, und nun können wir nicht einmal unsere Schulden bei ihm zahlen.«
    Die Mutter kniete noch immer weinend am Boden, und Alois Schneidt starrte mit einem Gesichtsausdruck auf sie herab, als wolle er sagen: Jetzt habe ich dich! Außer Klara achtete niemand darauf, denn ihre jüngeren Geschwister drängten sich an die Mutter und

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