Die Wanderapothekerin 1-6
musst es mir sagen, Schwägerin!«, drängte Schneidt.
Mittlerweile hatte diese sich ein wenig gefasst und nickte. »Wir werden darüber reden! Doch lass mir wirklich ein paar Tage Zeit.«
»Damit ist nichts gewonnen!«, fuhr ihr Schwager auf.
Sein Ton wurde nun auch Klaras Mutter zu unverschämt. »Mein Mann wollte nicht, dass diese Sache aufkommt, und ich will sie nicht übers Knie brechen! Also warte, bis ich bereit bin, darüber zu reden.«
Am liebsten hätte Alois Schneidt die widerspenstige Frau gepackt und geschüttelt, bis sie ihm das Versteck des Goldes verriet. Doch wenn er Gewalt anwandte, würde er nur seine Nachbarn gegen sich aufbringen und der Pastor seinen Namen auf der Kanzel als den eines üblen Sünders verkünden. Daran ist nur die Klara schuld, durchfuhr es ihn, und er bedachte das Mädchen mit einem hasserfüllten Blick. Klara traute er zu, nach Königsee zu gehen, um Rumold Just um Stundung anzuflehen. Dann aber würde sein Lügengebäude in sich zusammenbrechen.
»Also gut! Ich lasse dir ein paar Tage Zeit, Schwägerin. Für dich würde ich noch einmal mit dem Laboranten reden, auch wenn ich nicht glaube, dass dies Erfolg brächte. Doch Just ist heute nach Leipzig aufgebrochen und wird nicht vor übernächster Woche zurückkehren.«
Damit, so sagte er sich, würden weder seine Schwägerin noch Klara auf die Idee kommen, Just aufzusuchen, und er hatte jede Möglichkeit, sein Ziel zu erreichen.
10.
E s war gut, dass Alois Schneidt nicht hinter die Stirn seiner Nichte sehen und deren Gedanken lesen konnte. Klara dachte nicht daran, sich so einfach geschlagen zu geben. Doch bevor sie etwas unternahm, wollte sie wissen, welches Geheimnis die Mutter hütete. Da ihr Onkel so scharf hinter ihm her war, musste es etwas Bedeutendes sein.
Am Abend wartete Klara, bis die Kinder schliefen, füllte dann zwei Becher mit Schlehenwein und stellte einen davon der Mutter hin. »Hier, trink und erzähle mir, was den Onkel so bewegt. Es frisst direkt an ihm, das spüre ich.«
Beinahe widerwillig griff die Mutter zum Becher und nahm einen Schluck. Dabei überlegte sie, wie viel sie ihrer Tochter erzählen sollte. Sie hatte jedoch niemanden mehr außer Klara, und so beschloss sie, dieser alles zu berichten, was sie wusste.
»Es geht um einen Goldschatz, den der Vater und sein Bruder vor vielen Jahren gefunden und geteilt haben«, sagte sie so leise, als hätte sie Angst, jemand könnte mithören.
»Gold? Aber damit wären wir gerettet!« Klara wollte schon aufatmen, als sie das schmerzzerfurchte Gesicht der Mutter sah.
»Dein Vater hat gesagt, der Schatz wäre verflucht, und er würde es bedauern, ihn gefunden zu haben. Er nannte ihn eine Versuchung des Satans, um die Menschen auf den falschen Weg zu locken. Damit sollte er wohl recht behalten. Nachdem er und Alois den Schatz mit nach Hause gebracht und der Schwager seinen Teil an einen Lombarden verkauft hatte, ist dessen erste Frau bei der Geburt eines Sohnes gestorben. Alois selbst hat sich ein Bein gebrochen und konnte ein Jahr lang nicht als Balsamträger auf die Reise gehen. Das Geld, das er für das Gold bekommen hatte, ist ihm und seinem neuen Weib wie Wasser durch die Finger gelaufen, und nach einigen Jahren war er ärmer als vorher.«
»Unsinn! Er ist nur deshalb arm, weil er den Wein zu sehr liebt und weder Tante Fiene noch Reglind jemals dazu angehalten hat, so zu arbeiten, wie es sich gehört. Ihren Acker lassen sie verkommen, statt ebenfalls Kräuter darauf zu ziehen, und sie sammeln auch nur, wenn es ein schöner Tag ist und sie niemanden haben, mit dem sie schwatzen können.« Klaras Urteil war hart, entsprach aber den Tatsachen.
Ihre Mutter stimmte ihr widerwillig zu. »Es ist schon ein Kreuz mit den beiden! Ich glaube aber gerade deshalb, Vater hatte recht mit dem Fluch. Alois hat sein zweites Weib geheiratet, kaum dass seine erste Frau unter der Erde lag, und damals hat er noch das meiste Geld aus dem Schatz besessen. Wahrscheinlich haben er und Fiene sich eingebildet, es würde ihnen niemals mehr ausgehen.«
»Und jetzt ist er hinter Vaters Anteil her! Wie ich ihn kenne, wird er versuchen, sich das meiste davon selbst unter den Nagel zu reißen«, erklärte Klara nachdenklich.
Die Mutter senkte bedrückt den Kopf. »Nun, so schlimm ist es wohl nicht, aber sicher wird er mindestens ein Viertel des Goldes für sich behalten.«
»Ich würde eher sagen: mehr als die Hälfte! Wir beide kennen den Wert des Goldes nicht, daher kann er
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