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Die Wanderapothekerin 1-6

Die Wanderapothekerin 1-6

Titel: Die Wanderapothekerin 1-6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Ihr Blick folgte der Mutter, die mit einem mittelgroßen Korb und der Harke das Haus verließ. So rasch, das war ihr klar, würde diese nicht zurückkommen, und damit hatte sie freie Hand.
    Nachdem sie die Ziegen gemolken und die Milchsuppe aufgesetzt hatte, wusch sie sich sorgfältig, putzte sich die Zähne und zog ihr bestes Kleid an. Unterdessen waren Albert und Liebgard ebenfalls wach geworden und sahen ihr erstaunt zu.
    »Klara, was machst du?«, fragte ihr Bruder.
    Mit verschwörerischer Miene wandte Klara sich ihm und der Schwester zu. »Ihr habt doch gehört, dass wir kein Geld haben, dafür aber so viele Schulden, dass wir deswegen Haus und Hof verlieren können.«
    Albert nickte beklommen. »Mama ist ganz außer sich vor Sorge!«
    »Das bin ich auch!«, bekannte Klara. »Darum will ich jeden Strohhalm nutzen, der uns helfen kann.«
    »Aber mit Strohhalmen kann man doch nicht bezahlen!«, wandte Liebgard ein.
    »Das will ich auch nicht! Ich gehe nach Hildburghausen zu Papas Base Margarete. Zwar haben Papa und sie sich zerstritten, doch ist sie unsere nächste Verwandte …«
    »Nach Onkel Alois! Aber der kann uns nicht helfen«, unterbrach ihr Bruder sie.
    »Genauso ist es!«, sagte Klara. »Daher will ich zu Tante Margarete gehen und sie bitten, uns zu unterstützen. Vielleicht tut Gott ein Wunder, und sie gibt uns so viel Geld, wie wir brauchen, um sowohl Just wie auch die Steuern bezahlen zu können.«
    »Hat Mama das gesagt?«, wollte Albert wissen.
    Klara schüttelte den Kopf. »Mama würde sagen, Tante Margarete um etwas zu bitten, hätte keinen Sinn. Daher will ich aufbrechen, bevor sie aus dem Kräutergarten zurückkommt. Sagt ihr, dass ich erst morgen oder übermorgen wieder hier sein werde. Wenn Gott mir hilft, werden wir dann in Frieden leben können.«
    Ganz wohl war Klara bei dieser Lüge nicht. Aber sie wollte nicht, dass die Mutter sich Sorgen machte, weil sie auf ihrem eigentlichen Weg nahe an dem verwunschenen Waldstück vorbeigehen musste. Womöglich würde sie ihr folgen, um sie zurückzuholen. Als sie den Kindern die Milchsuppe zuteilte, beschwor sie diese, brav zu sein und die Arbeiten, die die Mutter ihnen auftrug, auch zu erledigen. Sie selbst trank nur ein wenig Wasser und nahm ein Stück Brot mit, das sie unterwegs essen wollte.
    Für den Weg nach Rudolstadt würde sie einen ganzen Tag brauchen und dabei kräftig ausschreiten müssen. Daher verließ sie rasch das Haus, erinnerte sich draußen aber noch rechtzeitig daran, dass sie ja in die Gegenrichtung laufen musste, um die Geschwister zu täuschen. So schlug sie zunächst den Weg nach Hildburghausen ein. Kaum war das Dorf außer Sicht, überquerte sie den dahinter liegenden Höhenzug, um auf den Weg nach Rudolstadt zu kommen.
    Da sie nicht den Umweg über Königsee machen wollte, wählte sie zunächst einen Waldpfad, den sonst nur die Köhler benützten, wenn sie zu ihren Meilern gelangen wollten. Dieser Weg bot ihr zudem den Vorteil, dass ihr niemand begegnete und ihrer Mutter verraten konnte, in welche Richtung sie gegangen war.
    An anderen Tagen hätten der mächtige Wald mit seinen hoch aufragenden Bäumen und das sich ständig verändernde Spiel von Licht und Schatten sie entzückt. Nun aber waren ihre Gedanken darauf gerichtet, rasch nach Rudolstadt zu gelangen, um möglichst noch am selben Tag eine Audienz beim Fürsten zu erhalten.
    Auf der ersten der etwa sechs Meilen, die sie zurücklegen musste, kam sie gut voran und hatte bereits die Straße erreicht, die direkt durch die Teufelsschlucht führte. Nun näherte sie sich mit klopfendem Herzen dem verrufenen Felsengewirr. Bevor sie die Stelle erreichte, an der die beiden Mädchen verschwunden waren, wich sie in den Wald aus, um den unheimlichen Ort zu umgehen. Das war jedoch kein guter Gedanke gewesen, denn plötzlich stieg das Gelände vor ihr steil empor, und ihr blieb nichts anderes übrig, als den Hang hochzuklettern.
    Klara kam gut über die Höhe und machte sich gerade daran, auf der anderen Seite hinabzusteigen, als sie den Hilferuf einer Frau vernahm. Erschrocken blieb sie stehen und lauschte.
    Da erklang die Stimme erneut. »Bitte, hört mich denn keiner?«
    Es hallte so stark, als wäre es ein Echo.
    »Doch, ich!«, sagte Klara und wollte schon laut rufen. Doch der Gedanke, dass die berüchtigte Teufelsschlucht mit ihrem Unhold in der Nähe verlief, hielt sie davon ab. Stattdessen versuchte sie herauszufinden, von wo die Stimme zu ihr drang. Sie kam zu ihrer

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