Die Wanderapothekerin 1-6
muss ich in Bamberg sein. Dort wartet Herrn Justs Sohn Tobias auf mich, um zu sehen, ob ich die Erwartungen seines Vaters erfülle.«
»Ist dieser Tobias ein junger Mann?«, fragte Martha.
»Er ist nur ein paar Jahre älter als ich.«
»Da kann ich mit ihm reden, so dass er nicht böse auf dich ist«, bot Martha an. »Junge Männer sind nie lange böse, wenn ich mit ihnen rede und vielleicht noch etwas anderes mit ihnen tue.«
Zu ihrer eigenen Verwunderung gefiel dieser Gedanke Klara ganz und gar nicht. Der eine Tag, an dem sie mit Martha unterwegs war, hatte ihr bereits gezeigt, dass die moralischen Vorstellungen ihrer Begleiterin nicht den ihren entsprachen. Diese hatte nichts dagegen, mit einem jungen Burschen im Gebüsch zu verschwinden, wenn er ihr gefiel, und Tobias würde ihr gefallen.
Mit einer energischen Handbewegung wies Klara diesen Gedanken von sich und deutete auf die Fische. »Beeile dich damit! Wenn der hiesige Grundherr uns dabei erwischt, wie wir sie braten, wird es uns schlecht ergehen.«
»Dann rede ich mit ihm«, antwortete Martha und schritt mit schwingenden Hüften weiter.
»Das kann ja noch heiter werden«, murmelte Klara, als sie ihr zum Feuer folgte.
Sie hatte das Mädchen gerettet, mahnte sie sich, also musste sie mit ihm auskommen. Zum Glück war Martha in anderen Dingen folgsam, und so beschloss sie, ihr die restlichen Unarten bald auszutreiben. Nun aber galt es, die Fische rasch auszunehmen, zu braten und zu essen, damit sie weiterkamen – und nicht erwischt wurden, setzte sie mit leichter Sorge hinzu.
Martha gehorchte mit einer gewissen Belustigung. Für sie war es wie ein Spiel, die Mächtigen auf diese Weise zu überlisten. Graf Benno hatte seinen Leibeigenen kaum mehr als Gerstenbrei und Brot gegönnt. Wer mehr haben wollte, musste findig sein. Da Klara in dieser Beziehung viel weniger abgehärtet war, beschloss sie, vorsichtiger zu sein, um ihre Retterin nicht zu ängstigen.
Die Fische schmeckten trotz Klaras Bedenken ausgezeichnet, und als sie schließlich aufbrachen, beseitigte Martha die Spuren des Mahles so geschickt, dass jeder, der hierherkam, glauben musste, hier hätten nur ein paar Leute ein kleines Feuer entzündet, um sich in der Nacht zu wärmen.
4.
I m Lauf des Tages machten Klara und Martha in mehreren Dörfern halt, und Martha zeigte jedes Mal mehr ihr Talent, Leute anzulocken. Dabei half ihr ihre laute, wohlklingende Stimme. Inzwischen hatte sie von Klara gelernt, welche Arzneien diese mit sich führte, und pries diese fröhlich als wahre Wundermittel an.
Als Klara sie unterwegs deswegen tadelte, sah sie diese erstaunt an. »Wenn wir deine Waren nicht richtig herausstreichen, kauft sie doch keiner.«
»Aber wenn ich nächstes Jahr wiederkomme, sind die Leute zornig, weil sie sich von meinen Salben und Elixieren zu viel versprochen haben. Dann jagen sie mich fort, und ich verkaufe gar nichts mehr!«, wandte Klara besorgt ein.
Martha lachte jedoch nur. »Du machst dir zu viele Gedanken! Dafür werden andere geheilt und verbreiten die Nachricht bei ihren Freunden und Verwandten. Also wirst du eher noch mehr verkaufen als heuer. Außerdem sagtest du doch, dass du viel Geld verdienen willst, um mit deiner Familie über den Winter zu kommen.«
»Ich brauche darüber hinaus auch genug, um Just im nächsten Jahr seine Arzneien abkaufen zu können. Mir gibt er gewiss nichts auf Kredit, wie er es bei meinem Onkel tut.«
Klara fand dies ungerecht, denn den Worten ihres Vaters zufolge hätte dessen Bruder mit etwas mehr Sparsamkeit durchaus ein kleines Vermögen anhäufen können. Ihnen hatte das gesparte Geld immerhin geholfen, die normale Anzahlung für Gerolds Arzneien zu leisten. Dass ihr Bruder ebenso wie ihr Vater nicht mehr nach Hause gekommen war, stand auf einem anderen Blatt.
»Wir kriegen das schon hin«, meinte Martha selbstgefällig und wies auf die Häuser, die vor ihnen auftauchten.
»Gleich sind wir im nächsten Ort. Mir scheint der Dorfbrunnen der beste Platz zu sein, um sich dort aufzustellen. Wenn wir in jedes einzelne Gehöft gehen, wird das ein arg mühsames Gewerbe.« Sie lief ein paar Schritte voraus und begann mit lauter Stimme zu rufen: »Kommt, ihr Leute, und kauft die besten Arzneien der Welt! Salben, die jede Wunde heilen, Essenzen, die das Reißen aus den Gliedern vertreiben, und Balsame, die gegen jede Krankheit helfen, die euch befallen kann!«
Klara hätte ihr am liebsten den Mund zugehalten, doch in einem hatte ihre
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