Die Wanderapothekerin 2: Aufbruch (German Edition)
Sohn mit Sorge. »Jetzt haltet doch beide inne«, bat sie. »Unser Herrgott im Himmel wird schon verhindern, dass Klara unterwegs Schaden nimmt.«
»Gott hat Wichtigeres zu tun, als sich um ein kleines Mädchen zu kümmern. Dafür wird Tobias Sorge tragen. Mein Sohn, du gehst mit Klara! Nach außen hin soll es so aussehen, als wolltest du unterwegs ein paar Apotheker aufsuchen und ihnen unsere Arzneien vorstellen. Doch in dem Augenblick, in dem ihr das Reff zu schwer wird und sie aufgibt, wirst du ihren Part übernehmen. Zahl einem Fuhrmann einen halben Taler, damit er die Kleine wieder nach Hause bringt, und geh dann hurtig weiter. Ich will doch sehen, wie du dich als Buckelapotheker machst.« Nun hatte Just seine gute Laune wiedergefunden und lachte.
Magdalena schüttelte empört den Kopf. »Du kannst unseren Jungen doch nicht einfach so losschicken! Er ist das Reff nicht gewohnt. Es wird ihn drücken und schwer auf seinen Schultern lasten.«
»Das hoffe ich sogar!«, antwortete ihr Mann sichtlich zufrieden mit seiner Entscheidung.
Da Tobias Klara damals in Rudolstadt nicht daran gehindert hatte, dem Fürsten ihre Bitte vorzutragen, erschien es ihm gerecht, dass sein Sohn die Suppe auslöffeln musste, die ihnen das Mädchen eingebrockt hatte.
»Mein armer Junge!« Magdalena Just schlang die Arme um Tobias, so als wolle sie ihn nie mehr loslassen.
»Keine Sorge, Mutter! Du weißt doch, Unkraut vergeht nicht«, antwortete ihr Sohn lächelnd.
»Dem Lümmel tut es ganz gut, hinter deinem Schürzenzipfel hervorzukriechen und etwas von der Welt zu sehen«, setzte ihr Mann hinzu. Sichtlich ruhiger fuhr er fort: »Dann kann er beweisen, ob er zu mehr taugt, als Salben zu rühren und Zahlen aufzuschreiben. In meiner Jugend habe ich das Reff so leicht wie eine Feder empfunden und bin jeden Tag meine sieben Meilen gewandert, ohne auch nur ein Mal in Schweiß zu geraten. Mal sehen, wie Tobias zurechtkommt.«
Sein Sohn lächelte nur. Ein solcher Schwächling, wie sein Vater tat, war er wahrlich nicht. Zudem glaubte er eines mit Sicherheit ausschließen zu können, nämlich dass Klara so einfach aufgab. Sie war ein ebenso beherztes wie starrsinniges Mädchen und würde nicht nur seinen Vater überraschen, sondern auch alle anderen, die ihr diese Wanderung nicht zutrauten. Er sagte jedoch nichts dergleichen, sondern erklärte nur, dass er, wenn Klara nicht weitergehen wollte, selbstverständlich ihre Strecke übernehmen würde.
2.
N icht nur Rumold Just, auch Johanna Schneidt war entsetzt, weil ihre Tochter hartnäckig daran festhielt, den Spuren des Vaters und Bruders zu folgen. Sie rang verzweifelt die Hände und wandte sich, als Klara weiterhin darauf bestand, an ihren Schwager.
»Alois, sag du ihr doch, dass es nicht geht!«
»Würde ich ja gerne«, erwiderte Alois Schneidt grimmig. »Dieses unglückselige Ding hat jedoch den Fürsten dazu gebracht, allen zu befehlen, es ziehen zu lassen. Ich würde mir seinen Zorn zuziehen, sollte ich versuchen, Klara daran zu hindern.«
Im letzten Herbst hatte Schneidt sich bereits am Ziel seiner Wünsche gesehen, doch dann hatte Klara ihm einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Da er im Vorgefühl baldigen Reichtums sein Geld mit vollen Händen ausgegeben hatte, war er gezwungen gewesen, den Winter über ungewohnt sparsam zu leben. Trotzdem hatte er Just nicht den üblichen Vorschuss auf die Arzneien zahlen können, und nun lasteten noch größere Schulden auf seinen Schultern als je zuvor.
In trüben Augenblicken verfluchte Alois Schneidt den Köhler Görch, in dessen Macht es gelegen hätte, ihn von seiner Nichte zu befreien. Doch statt Klara den Garaus zu machen, hatte Görch sich von ihr übertölpeln lassen. Nicht zuletzt deshalb war Schneidt zur Hinrichtung des Köhlers nach Rudolstadt gewandert und hatte dem Mann alle Qualen, die dieser erlitten hatte, von Herzen gegönnt. Nun aber sah die Sache für ihn wieder besser aus. Klara wollte mit dem Reff auf Wanderschaft gehen, und das gab ihm die Gelegenheit, sich auch ihrer zu entledigen.
»Es hat keinen Sinn zu klagen, Schwägerin. Fürst Ludwig Friedrich hat beschlossen, dass Klara die Strecke ihres Vaters bereisen darf. Selbst der Laborant Just verfügt nicht über die Macht, sie davon abzuhalten, wiewohl er mit dieser Tatsache hadert«, setzte Schneidt nach einer vermeintlichen Bedenkpause hinzu.
»Wenn du wenigstens auf sie achtgeben könntest!«, rief die Witwe seines Bruders unter Tränen. »Ich habe
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