Die Wanderhure
uns vor dem Reichsgericht gegen ihn durchsetzen. So mächtig ist Konrad von Keilburg auch wieder nicht, dass er sich einem Spruch des Kaisers widersetzen kann. Tut er es dennoch, werden wir sehr viele Verbündete haben, die sich auf ganz legale Weise einen Teil von seinen zusammengeraubten Ländereien sichern wollen. Bis dahin aber müssen wir uns nach einem Freund umsehen, der mächtiger ist als der Keilburger.«
»Du bist also immer noch der Meinung, ich sollte mich mit dem Württemberger zusammentun?« Ritter Dietmar klang nicht gerade begeistert.
Der guten Laune seiner Gemahlin tat dies jedoch keinen Abbruch. Sie nickte lächelnd, umarmte ihn, was ihr wegen ihres beträchtlichen Umfangs etwas schwerer fiel als sonst, und gab ihm einen herzhaften Kuss.
Hiltrud ertappte sich dabei, dass sie genau das tat, was sie an Marie kritisierte, nämlich heimlich zu lauschen. Daher drehte sie sich um und lief rasch ins Haus. Als sie in ihr Zimmer trat, saß Marie an einem der Fenster und starrte in die Ferne, dorthin, wo man über einem dicht bewaldeten Hang eine kleine, aber gut zu verteidigende Wehranlage erkennen konnte. Es handelte sich um die Burg Felde, die als eine der letzten in den Besitz des Keilburgers geraten war. Von dort aus hatte Graf Konrad Mühringen, die Burg von Ritter Dietmars Onkel Otmar, im Handstreich besetzt.
Hiltrud stemmte die Arme in die Hüften und schüttelte tadelnd den Kopf. »Du grübelst zu viel, Marie.«
Marie zuckte zusammen und starrte Hiltrud erschrocken an, so als hätte die Freundin sie aus tiefem Schlaf herausgerissen. »Ichkann nicht anders! Seit ich hier hin, muss ich ständig an Ruppert denken. Bei Gott, wie sehne ich den Tag herbei, an dem er und die anderen Schurken ihre gerechte Strafe erhalten. Eine Zeit lang hatte ich gehofft, Ritter Dietmar würde dem Keilburger die Fehde antragen. Ohne seinen hochwohlgeborenen Halbbruder verliert Ruppert seinen wichtigsten Beschützer, und wenn ich Glück habe, wird er sogar mit ihm fallen. Dann brauche ich nur noch einen Meuchelmörder zu dingen, der sich der Lumpen annimmt, die mich geschändet und falsch beschuldigt haben.«
»Davon wirst du weiterträumen müssen. Frau Mechthild wird es niemals zulassen, dass es zum Kampf kommt. Das hat sie eben selbst gesagt.«
Marie nickte düster. »Ich weiß. Schließlich habe ich bei den Gesprächen gut zugehört.«
»Ja, und warst dabei sehr leichtsinnig. Das Gesinde redet schon darüber, und Thomas bat mich, dich zu warnen.«
Marie zuckte mit den Schultern und schob die Unterlippe nach vorne. »Was weiß so ein Ziegenhirte denn schon.«
»Er ist sehr klug und weiß besser als andere, was in der Burg vorgeht. Du solltest dich zusammennehmen und die Grillen aus deinem Kopf vertreiben. Genieße die Zeit, die wir hier verbringen dürfen. So leicht wie jetzt hast du dein Geld in den letzten drei Jahren wahrlich nicht verdienen können.«
»Ich wäre lieber eine Trosshure in einem Heer, das auszieht, um Konrad von Keilburg und seinen Halbbruder zu vernichten«, brach es aus Marie heraus. »Hier komme ich doch keinen Schritt weiter. Ritter Dietmar und seine Freunde werden keinen Krieg gegen den Keilburger führen, sondern sich an das kaiserliche Gericht wenden. Vielleicht erreichen sie tatsächlich einen Spruch zu ihren Gunsten. Aber davon habe ich nichts. Mir verschafft kein Gericht der Welt Genugtuung!«
Marie brach in Tränen aus. Hiltrud spürte ihre Hoffnungslosigkeit und zog sie an sich, um sie zu trösten. Marie klammerte sichwie ein kleines Kind an sie, aber die Worte, die sie dabei flüsterte, zeugten von einem Hass, der Hiltrud erschauern ließ.
VI.
K urz nach der Abreise der Edelleute begann es heftig zu schneien, und Arnstein versank in einer Art Winterschlaf. Nur selten betrat oder verließ jemand die Burg. Zweimal sah Marie, wie sich ein Bote von einem der Verbündeten durch den Schnee heraufkämpfte und völlig erschöpft aus dem Sattel gehoben und ins Haus getragen wurde. Beide Male war es ihr nicht möglich, die Gespräche zu belauschen, daher musste sie sich mit den Gerüchten begnügen, die durch die Gesinderäume schwirrten.
Wie es hieß, war es weder Ritter Dietmar noch seinen Verbündeten gelungen, andere Burgherren auf ihre Seite zu ziehen. Der Winter schien jedoch auch den Keilburger zu lähmen, jedenfalls hörte man, er habe einen Teil der Söldner entlassen und den Rest seines Heeres in die Winterquartiere geschickt. Seine Leute kontrollierten immer noch die
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