Die Wanderhure
Landstraße?«
Jodokus lächelte. »Du solltest mich nicht unterschätzen, schöne Hure. Ich werde bald ein sehr reicher Mann sein, und wenn du mit mir gehst, wirst du leben können wie eine Dame von Stand.«
Er beschrieb ihr wortreich, wie er sie mit Schmuck und Kleidern überhäufen wollte. So ein Angebot hatte ihr noch nicht einmal der Kaufherr aus Flandern gemacht. Marie hörte ihm scheinbar aufmerksam zu, wartete aber nur darauf, entwischen zu können. Selbst wenn er die Wahrheit sagte, gab es genügend Gründe für sie, sich nicht mit ihm einzulassen.
Als Mönch hatte er das Gelübde der Ehelosigkeit abgelegt und wahrscheinlich auch das der Keuschheit. Doch er schien sich ebenso wenig daran zu halten wie die meisten anderen Kirchenmänner. Seit sich die Päpste Gregor, Johannes und Benedikt um die Führerschaft der Christenheit stritten und dabei doch nur die Marionetten Spaniens, Frankreichs oder der deutschen Kaiser waren, die nur noch ihnen genehme Gefolgsleute zu Bischöfen und Äbten ernennen ließen, ging es mit der Moral der Priester und Mönche bergab.
Marie erinnerte sich an eine spöttische Bemerkung, die sie unterwegs aufgeschnappt hatte. Warum muss ein Pfaffe nicht heiraten?, hatte ein Gaukler sie einmal gefragt und ihr auch gleich die Antwort darauf gegeben: weil ihm sämtliche Weiber seiner Kirchengemeinde zur Verfügung ständen.
Marie hatte zwar darüber gelacht, doch es entsprach der Wahrheit. Trotzdem war es etwas anderes, der Priester einer Gemeinde zu sein oder ein Bischof, der sich eine Kebse hielt, als ein davongelaufener Mönch, der auf unerklärliche Weise zu Besitz gekommen war und offen im Konkubinat lebte oder gar heiratete. Das würde die Scheinheiligen gegen Jodokus aufbringen, und man würde kurzen Prozess mit ihm und der Frau an seiner Seite machen. Anschuldigungen waren schnell ausgesprochen, und kirchliche Urteile gingen so gut wie nie zu Gunsten des Beschuldigten aus, wie Marie am eigenen Leib erfahren hatte.
Marie schauderte vor der unverhohlenen Gier des Mönches. Selbst wenn er kein Mann der Kirche wäre und sie durch eine Heirat mit ihm in den Stand einer ehrbaren Ehefrau treten könnte, würde sie es nicht tun. Jodokus war ihr zutiefst unsympathisch, und es ärgerte sie, dass sie ihm das nicht offen ins Gesicht sagen konnte.
»Verzeih, wenn ich dich nicht verstehe. Ich bin doch nur eine dumme Frau«, murmelte sie in dem verzweifelten Bemühen, Zeit zu gewinnen.
Für einen Augenblick sah der Mönch so aus, als wolle er mehr sagen, doch er kniff die Lippen zusammen, als müsse er verhindern, dass ihm unbedachte Worte entschlüpften, und verschlang Marie dabei mit hungrigen Blicken. Nach ein paar heftigen Atemzügen ließ er sie endlich los. »Ich begehre dich, und ich werde dich bekommen.«
Für Marie klang es wie eine Drohung. Sie knickste rasch und war schon bereit, in die Halle zurückzukehren, selbst wenn sie dort bei den versammelten Rittern Verdacht erregt hätte, doch mit einem Mal gab er ihr den Weg frei. Sie rannte so schnell den Gang hinunter, dass er sie nicht noch einmal festhalten konnte. Selbst als sie die Zimmertür hinter sich verriegelt hatte, glaubte sie immer noch seinen Blick in ihrem Nacken zu spüren.
Jodokus sah ihr tatsächlich so weit nach, wie das Licht, das aus der Halle heraufdrang, es möglich machte. Dann lehnte er sich zitternd gegen die Wand und kühlte seine Stirn an den Steinen. Die Hure hatte Recht. Frau Mechthild würde es nicht dulden, wenn ein anderer als ihr Gemahl sie berührte. Er verging beinahe vor Eifersucht, wenn er daran dachte, dass die junge Frau dem Ritter zu Diensten sein musste, obwohl Dietmar sich nicht das Geringste aus ihr machte. Der Mönch gab seine Sache jedoch nicht verloren. Spätestens in drei Monaten würde Frau Mechthilds Kind geboren werden, und acht Wochen danach würde sie wieder ihren Platz im Schlafgemach des Herrn einnehmen. Daswar die Zeit, in der seine Pläne aufgehen und ihn in die Lage versetzen würden, Marie mit Haut und Haaren zu kaufen, und dann würde er dafür sorgen, dass kein anderer Mann mehr in ihre Nähe kam. Jodokus lächelte bei diesem Gedanken so zufrieden, dass Guda, die ihm begegnete, ihn erstaunt musterte. Bis jetzt hatte sie den Mönch nie anders als mit sauertöpfischem Gesicht herumlaufen sehen.
V.
I n den ersten Wochen auf Burg Arnstein wurde die Freundschaft zwischen Marie und Hiltrud einer harten Zerreißprobe unterzogen, denn zum ersten Mal seit ihrer gemeinsamen
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