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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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deutlich im Mondlicht abzeichnete. Er hielt seinen Speer umklammert und seine Miene zeigte ungläubigen Schrecken.
    Es dauerte eine Weile, bis ich erkannte, was Gorman solche Angst einjagte. Am Waldrand bewegte sich etwas. Es sah aus, als hätte die Nacht sich an einer Stelle zusammengeballt. Das Geschöpf war fast doppelt so groß wie Gorman, mit ungewöhnlich langen Gliedern.
    Ich kniff die Augen zusammen. Die Gestalt des Kelpis bestand aus wirbelnden Schatten. Ich erahnte zwar einen länglichen Kopf, aber das Einzige, das wirklich zu erkennen war, waren die glühenden Augen des Waldgeists. Es fühlte sich beinahe so an, als würden sie meinen Blick aufsaugen wie ein Strudel …
    Gorman holte aus und schleuderte den Speer nach dem Kelpi.
    Ich blinzelte. Gorman stieß einen überraschten Schrei aus. Der Kelpi war so schnell ausgewichen, dass ich es nicht gesehen hatte.
    Ein Zischen ertönte und der Kelpi stand auf einmal unmittelbar vor Gorman. Er traf ihn mit einem Hieb, der ihn wie eine Puppe zu Boden schleuderte.
    Ich brüllte und rannte auf das Feuer zu. Gorman rappelte sich auf und wich rückwärtskriechend vor dem Kelpi zurück, der ihn seelenruhig beobachtete.
    Aus irgendeinem Grund schienen Gormans Bewegungen zu erlahmen. Hatte er sich bei dem Aufprall verletzt?
    Ich beschleunigte meine Schritte.
    Egal, was passierte, der Kelpi durfte ihm nichts antun.
    Irgendetwas schien mit Gorman nicht zu stimmen. Er bewegte sich überhaupt nicht mehr, sondern hockte nur starr auf dem Uferboden und blickte dem Kelpi aus weit aufgerissenen Augen entgegen.
    »Gorman, lauf«, schrie ich, aber weder Gorman noch der Kelpi schienen mich zu hören.
    Die Schatten um den Kelpi verdichteten sich.
    »Wanife«, hörte ich eine eisige Stimme sagen. Ich blieb wie erstarrt stehen.
    Wie von unsichtbaren Fäden gezogen, erhob sich Gorman. Blut rann über sein Gesicht. Sein Blick wirkte stumpf. Ich traute meinen Augen kaum, als Gorman mit linkischen Schritten auf den Kelpi zustolperte. Er war nicht mehr Herr seiner Bewegungen.
    »Hör auf! Lass ihn in Frieden! Ich bin die Wanife. Ich!«
    Der Kelpi vernahm mich noch immer nicht.
    Gorman brach vor dem Waldgeist in die Knie. Die Schatten um den Kelpi hatten sich so weit verdichtet, dass er nun viel körperlicher wirkte.
    Der Kopf sah aus wie eine Verschmelzung aus Uhu und Bär. Waren das Hörner? Nein … ein dunkles Geweih.
    Der Kelpi nahm Gorman etwas aus der Hand – sein Messer.
    »Bitte nicht«, keuchte ich. Anstatt Gorman mit dem Messer zu verletzen, schnitt der Waldgeist sich in den Unterarm. Zu meiner Überraschung quoll hellrotes Blut aus der Wunde hervor. Blut! Das bedeutete, ich konnte ihn verletzen!
    Der Kelpi drückte Gormans Kopf in den Nacken und ließ das Blut in Gormans geöffneten Mund fließen. Immer mehr. Immer mehr.
    Gorman röchelte.
    »Hör auf«, brüllte ich, legte an … und schoss. Mit einem hellen Sirren durchschnitt der Pfeil die Luft – und bohrte sich in den Arm des Kelpis.
    Der Dämon heulte auf und fuhr blitzartig herum. Gorman kippte röchelnd zur Seite.
    Die glühenden Augen des Kelpis richteten sich auf mich.
    »Ich bin die Wanife«, rief ich.
    Ein durchdringender Schrei durchschnitt die Nacht. Ich schluckte. Musste ich eigentlich immer so vorlaut sein? Wie sollte ich …
    Die dunkle Gestalt wuchs vor mir aus dem Boden, noch ehe ich den Gedanken zu Ende gedacht hatte.
    Ich schrie auf und stürzte zu Boden. Die wirbelnden Schatten umschlossen mich. Der Kelpi holte zu einem vernichtenden Schlag aus. Ich hob in einer abwehrenden Geste die Hände.
    Der Waldgeist stieß ein überraschtes Knurren aus. Ein fauchendes Fellbündel hatte seine Krallen in seinen Rücken gebohrt.
    Der Kelpi taumelte zurück und versuchte, den Luchs abzuschütteln.
    Ich ergriff die Chance und rannte los. So schnell ich konnte, watete ich auf das andere Ufer zu, während ich hinter mir das Zischen des Kelpis hörte.
    Kurze Zeit später erreichte ich Gorman, der sich stöhnend am Boden wand.
    »Gorman«, flüsterte ich und kniete neben ihm nieder. Das Blut des Kelpis klebte an seiner Kleidung und in seinem Gesicht. Er zitterte.
    Gorman packte meine Hand und umklammerte sie. Sein Blick suchte meinen.
    »Es tut so weh, Ainwa«, rief er. »Was passiert mit mir?«
    Er hustete. Blut quoll aus seinem Mund.
    »Keine Sorge. Ich helfe dir. Ich … Alfangers Kristalle!«
    Ich kramte die Kristalle aus meinem Lederbeutel hervor und bildete hastig einen Kreis um Gorman und mich.
    Mein Bruder

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